Nach Attacke von Rechts: Stadtrat Dresden beschließt Kulturförderung

Die gute Nachricht zuerst: Die kommunale Kulturförderung der Landeshauptstadt 2021 kann ausgezahlt werden. Der Stadtrat beschloss am Donnerstagabend mit der deutlichen Mehrheit von jeweils 53 Stimmen sowohl die institutionelle als auch die Projektförderung. Dabei geht es um Mittel von insgesamt etwa 5,3 Millionen Euro jenseits der stadteigenen Großeinrichtungen wie der Staatsoperette oder dem Theater Junge Generation. Die freie Kulturszene, von der Corona-Pandemie besonders in Mitleidenschaft gezogen, kann also aufatmen. Kampf gegen Kulturinitiativen und Vereine aus Dresden: Die weniger gute Nachricht betrifft die Umstände, unter denen dieser verspätete Beschluss zustande kam. Denn mit dem Erstarken von AfD und Freien Wählern ist der seit 1990 in Sachsen geltende weitgehende kulturpolitische Konsens auf kommunaler und Landesebene aufgekündigt worden. Die AfD im Landtag hatte 2018 schon eine Abschussliste vor allem soziokultureller Vereine veröffentlicht, die sich mit menschenverachtenden und rassistischen Ideologien auseinandersetzen. Ihr kulturpolitischer Sprecher Thomas Kirste will missliebigen Theatern die „Subventionen“ streichen. AfD wollte Kulturförderung abschaffen: Ein von der AfD kurz vor der Landtagswahl 2019 im Landtag angezettelter Disput um Kunstfreiheit geriet ungewollt zur Debatte um eine neue Kunstzensur von rechts. Im Dresdner Kommunalwahlkampf ging es zuvor schon beispielsweise gegen das Festspielhaus Hellerau, das den Kunstverstand der AfD offenbar überfordert. Vor diesem Hintergrund überraschte die Attacke nicht, die von drei AfD-Stadträten und Susanne Dagen von den Freien Wählern kurz vor Weihnachten im Kulturausschuss gegen die Kommunale Kulturförderung geritten wurde (DNN berichteten). Mit ihrer Sperrminorität verhinderten sie, dass der Ausschuss den am 17. Dezember beschlossenen Stadthaushalt formal umsetzt. Dort hatte die AfD bereits beantragt, die Kommunale Kulturförderung ganz abzuschaffen. Anders als seit vielen Haushalten üblich, musste diese Freigabe deshalb fünf Wochen später ins Plenum des Stadtrates „gehoben“ werden, wo sie nun beschlossen wurde. Dagen sieht „Empörungsrituale“: Statt sich über die während der Haushaltberatungen gelungene Stabilisierung der Kulturausgaben in einem Krisenjahr zu freuen, sprach Stadtrat Matthias Rentzsch (AfD) vom „Tricksen gegen das gesellschaftliche Solidarprinzip zu Lasten der Allgemeinheit“. Sein Fraktionschef Wolf Hagen Braun nannte die Kommunale Kulturförderung „generell unsolidarisch“ und wetterte gegen „ausufernde Projekte, die sich selbst tragen müssten“. Buchhändlerin Dagen attackierte Kulturschaffende, „die den Begriff Systemrelevanz so gerne vor sich hertragen“. Man müsse angesichts knapper Haushalte verantwortungsbewusst agieren „ohne die üblichen Empörungsrituale derer, die vor allem von der Stadt als für die Stadt leben“. Über die Verzögerung überlebenswichtiger Fördermittel haben sich indessen kaum freie Träger empört. Nach Informationen aus dem Kulturrathaus und dem Netzwerk Kultur meldete einzig das Medienkulturzentrum ernstere Schwierigkeiten an. Man sei Kummer gewöhnt, greife auf Notgroschen zurück, zahle Gehälter später aus, meint Frank Eckhardt vom riesa efau. „Heftig, aber nicht existenzbedrohend“, seien die Folgen der Schikane von rechts. Das Signal aber ist in der Dresdner Freien Szene verstanden worden. „Wir halten zu den Kulturschaffenden“: „Die rechten Fraktionen wollten ihr Mütchen kühlen“, fasste es Magnus Hecht von der Linken zusammen. Die Grüne Christiane Filius-Jehne wies das geforderte Primat von Wirtschaftsförderung anstelle der Kultur ebenso zurück wie den Vorwand, es sei bei einem noch nicht von der Landesdirektion genehmigten Haushalt ohnehin nur eine vorläufige Haushaltführung möglich. „Wir halten zu den Kulturschaffenden“, erklärte auch Petra Nikolov für die CDU-Fraktion. Ein Blick in die noch leicht erweiterten Förderlisten macht die erstaunliche Breite und Vielfalt der Basiskultur in Dresden erneut bewusst. Größter Posten mit reichlich 1,5 Millionen Euro ist die kulturelle Bildung, gefolgt von der Stadtteil- und Soziokultur mit 1,1 Millionen, der Musik und der Darstellenden Kunst. Es gibt etwas zu verteidigen in Dresden. Von Michael Bartsch