Kraftvoll, ausdrucksstark, kantig: Günter Neubert wird 85

Am 11. März begeht der Komponist Günter Neubert seinen 85. Geburtstag. Obwohl in Leipzig lebend, ist er den Dresdnern bestens bekannt. Die geplante Würdigung des Jubilars durch ein Konzert im Leipziger Gewandhaus musste leider coronabedingt abgesagt werden. Um so wichtiger ist es, mindestens auf diese Weise seiner zu gedenken. Günter Neubert – Kompositionsschüler von Rudolf Wagner-Régeny und Paul Dessau – ist ein kraftvoller, innerlich glühender, kantiger Mensch, der kompromisslos das als richtig Erkannte, sein persönliches Anliegen, in seiner Kunst ausdrückt. In einer Zeit, in der mitunter die perfekte Beherrschung des Handwerks bei weitgehender inhaltlicher Beliebigkeit zum Selbstzweck wird, ist es nicht leicht, diese Position durchzuhalten. Solostücke, Kammermusik, Orchesterkompositionen, eine Oper: Faule Kompromisse waren und sind Günter Neubert fremd. In seinen Werken wird man belangloses Schwelgen in gefälligen Melodien und Stellen von eitler Schönheit vergeblich suchen. Ein starker Ausdruckswille, das unbedingte Bestreben, den Hörer zu erreichen und zu bewegen, sind bereits aus dem Notenbild seiner Kompositionen ersichtlich. Sein Schaffen umfasst viele musikalische Gattungen – vom Solostück über Kammermusik und Chorwerken a cappella bis zu großen Orchesterkompositionen, Oratorien und einer Oper. Wer sich den Luxus einer eigenen, unabhängigen Position leistet, ist nicht immer bequem. Das gilt für die Jahre vor 1989 ebenso wie für die Zeit danach. Um so erfreulicher, dass es dennoch eine große Zahl von Menschen gibt, die seine Werke schätzen und sich für sie einsetzen. In Dresden erklangen seine Kompositionen in der Kreuzkirche, der Frauenkirche, der Versöhnungskirche, der Martin-Luther-Kirche, der Dreikönigskirche, im Kulturpalast, im Hygienemuseum sowie im Gobelinsaal der Sempergalerie. Sie wurden unter anderen musiziert von der Staatskapelle Dresden, der Dresdner Philharmonie, dem Philharmonischen Chor und Kinderchor, dem Dresdner Bachchor, der Kantorei der Lutherkirche Radebeul, der Meißner Kantorei 1961, dem Ensemble vocal modern und dem Chor der Hochschule für Kirchenmusik. Allein zwölf Neubertsche Uraufführungen fanden in Dresden statt. Von seinen Werken seien vier der bekanntesten genannt: die musikalische Allegorie „Animal maris cantans – Der singende Fisch“ für Sprecher, Kinderchor und großes Orchester, das musikalische Märchen „Die Weihnachtsgans Auguste“ (oftmals im Kulturpalast aufgeführt) sowie die Oratorien„Laudate Ninive“ und „Wo der Herr nicht das Haus baut“, letzteres entstanden anlässlich der 800-Jahr-Feier Dresdens. Brief-Biografie in Arbeit: Günter Neubert wurde vom damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf in den Gründungsausschuss der Sächsischen Akademie der Künste berufen und gehört zu deren Gründungsmitgliedern. Wer meint, Neubert blicke jetzt vor allem auf seine Erfolge zurück und genieße seinen wohlverdienten Ruhestand, muss sich eines Besseren belehren lassen. Nach wie vor ist er als Komponist gefragt. 2019 schrieb er eine Musik zur Glockenweihe der Leipziger Nikolaikirche, in der die neuen Glocken zusammen mit einem Blechbläserensemble und Schlagzeug zu hören waren. 2020 erfüllte Neubert einen Kompositionsauftrag des Leipziger Gewandhauses. Das dabei entstandene Nonett, sollte eigentlich am 14. März uraufgeführt werden. Gegenwärtig verfasst Neubert eine Brief-Biografie mit dem Titel „Briefe an die Herrschenden – ein Komponistenleben“. Von Christfried Brödel

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