Die TU Dresden ist exzellent, das ist amtlich. Exzellent ist aber auch die Hochschule für Bildende Künste (HfBK) in Dresden. Sie hat sich gemeinsam mit der Akademie der Bildenden Künste Budapest, der Lettischen Kunstakademie Riga und der Akademie der Bildenden Künste Rom auf eine Ausschreibung der EU beworben. Mit Erfolg. Zu den 17 Netzwerken, die ab Herbst drei Jahre lang mit bis zu fünf Millionen Euro gefördert werden, gehört die Allianz der vier Kunstakademien mit dem Arbeitstitel „EU4ART“.
Europäische Hochschulen der Zukunft
300 Hochschulen aus ganz Europa hatten sich in 54 Allianzen beworben. Die transnationalen Bündnisse sollen die europäischen Hochschulen der Zukunft schaffen, europäische Werte und die europäische Identität fördern und außerdem Qualität und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hochschulbildung neu aufstellen.
ist glücklich über die zukünftige Zusammenarbeit mit den Kunsthochschulen in Budapest, Riga und Rom: „Die künstlerischen Werkstätten der europäischen Kunsthochschulen sind eine bislang zu wenig beachtete Ressource, die durch die neue Allianz nicht nur für die beteiligten Hochschulen, sondern auch für andere Institutionen künstlerischer Bildung modellhaft neue Betrachtungen und Ansätze ermöglicht.“
Hintergrund dieses deutlichen Bekenntnisses zu Europa sei auch die Veränderung auf dem internationalen Kunstmarkt, so der HfBK-Rektor. Es seien neue Typen von weltweit operierenden Galerien und Messen entstanden. Der Waren- und Investmentcharakter von Kunst habe sich längst verselbstständigt, führt er aus. Flügge sagt: „An wenigen Orten setzen einige wenige Global Player mit zeitgenössischen künstlerischen Arbeiten immense Summen um, deren Qualitätsbewertungen von Akademien nicht beeinflussbar sind und bei denen die Objektivierung eines Wertes fast unmöglich ist. Wenn Kunst aber als Spekulationsobjekt und als Erzeugnis territorialer Einflussmöglichkeiten gehandelt wird, stellt sich die Frage nach dem Wesentlichen der künstlerischen Lehre.“ Diese Frage müsse nachdrücklich gestellt werden.
Digitalisierung: Der Reiz des Neuen ist verflogen
Zum Kern künstlerischer Lehre gehört für ihn seit Jahrhunderten die Auseinandersetzung mit historischen Techniken, deren Vermittlung und die Reflexion, sowie die Pflege und Weiterentwicklung lokaler Traditionen. HfBK-Sprecherin Andrea Weippert ergänzt: „Durch die Digitalisierung hat sich der Zugang zu manuellem Tun für die gegenwärtigen und künftigen Generationen von Studierenden epochal verändert.“ Weippert hat für die Hochschule federführend den Antrag erarbeitet und dafür gemeinsam mit ihren Kollegen aus den Werkstätten den gegenwärtigen Status analysiert.
War zunächst mit Beginn der 1960er Jahre das Digitale ein weiteres, reizvolles Instrument, das zur Produktion der Kunst genutzt werden konnte, sagt sie, habe sich längst der Reiz des Neuen relativiert. Aktuell würden Fragen nach Ästhetik und Sinnlichkeit, Kunstfertigkeit und Handwerk neu in den Blick genommen. Zugleich müsse man einen grundsätzlich anderen Umgang und eine andere Bewertung manueller Fertigkeiten bei Bewerberinnen und Bewerbern konstatieren, die aus einer veränderten Vorbildung resultiert. Das jedenfalls sei eine Beobachtung der Werkstattleiter, nicht nur in Dresden. Dieses Phänomen gelte es genauer zu untersuchen.
Die Dresdner sahen in der Ausschreibung die Möglichkeit, ein bereits sehr lange gehegtes Vorhaben zu verwirklichen und sind innerhalb der Gruppe federführend für die Etablierung eines „Europäischen Werkstattverbundes in Lehre und künstlerischer Praxis“ zuständig.
25 Werkstätten und Labore in Dresden
Sie werden sich dabei vor allem den Aspekten von Lehre und Vermittlung in den künstlerischen Werkstätten widmen, während Budapest z.B. die Fragen und Erfordernisse zu den Lehrplänen bearbeitet. Jede Partnerhochschule verantwortet ein Schwerpunktthema. Zudem sollen bei diesem Projekt Wechselwirkungen von historischen Techniken und zeitgenössischen Technologien bzw. Materialien untersucht werden. Lehrformate sind auch gemeinsame Workshops, Praxiskonferenzen der künstlerischen Werkstätten sowie Exkursionen mit Teilnehmern aller Partnereinrichtungen und die Verknüpfung der Arbeitsergebnisse in die Kunstpraxis außerhalb der Hochschulen. In Dresden sind dies die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sowie die Landeshauptstadt Dresden mit den Grafikwerkstätten.
Für Flügge ist die Zusammenarbeit mit den Akademien in Budapest, Riga und Rom nur folgerichtig. Er meint, dass Kunstakademien wie Düsseldorf, die Académie des Beaux Arts in Paris, die Kunstakademien in Stockholm, Glasgow oder Wien nach dem Zweiten Weltkrieg eine kontinuierliche, nach Westen ausgerichtete Identität entwickelt hätten. Anders als die Akademien in Budapest, Riga und Dresden. Flügge erklärt: „Sie mussten sich nach dem Zusammenbruch des Ostblocks neu definieren und in einen ungleichen Wettbewerb einsteigen.“ Das betreffe ganz anders auch Rom. Die Akademie dort war jahrhundertelang eines der bedeutendsten künstlerischen Zentren jenseits der Alpen und werde heute nur noch als Peripherie westlicher Kunstproduktion von nachgeordneter Bedeutung für die Gegenwartskunst wahrgenommen.
Die Kunstakademie in Dresden besitzt 25 Werkstätten und Labore, darunter für Lithografie, Siebdruck, Keramik, Holzverarbeitung und Metallguss. Flügge sagt: „Die Werkstattleiter leisten dort exzellente Arbeit, ähnlich wie ihre Kollegen in Budapest, Riga und Rom. In diesen Werkstätten versammelt sich in höchster Qualität eine Konzentration und Vielfalt von künstlerischen Erfahrungen, kunsttechnischem Wissen und kulturellem Erbe. Wir müssen strukturiert zusammenarbeiten, denn dieser einzigartige europäische Campus bietet für uns alle große Chancen.“
www.hfbk-dresden.de
Von Adina Rieckmann