Dresden: Societätstheater startet in neue Spielzeit

Wohlan, die Zeit der Spielzeiteröffnungen, der Rückkehr zu Spielplänen und Premierenserien ist gekommen. Fast wie früher, sieht man von den scheinbar so schlecht besuchten Vorstellungen ab. Eine Woche nach dem Staatsschauspiel, im Corona-Abstand sozusagen, legt morgen auch das Societaetstheater los. Bislang bei Brit Magdon und Andreas Nattermann gewiss nicht schlecht aufgehoben, setzt der altbekannte „Neue“ Heiki Ikkola vom Büro der Generalintendanz unterm Dach aus nun seine eigenen Akzente. Begleitet auch von einigen optischen Verschönerungen am „verstecktesten Theater Dresdens“ im Barock-Ghetto zwischen König- und Hauptstraße. „Willkommen und Abschied“ wird es bei einer Würdigung der Nattermann-Jahre am Societaetstheater bei diesem Eröffnungsfest auch heißen. Es beginnt am Freitag schon 17 Uhr mit Show und Zirkus am Goldenen Reiter, der künftig häufiger eine Theaterrolle spielen wird. Nach kurzem Umzug wird das Spektakel am und im Haus ab halb sieben mit dem eigentlichen Theaterfest fortgesetzt. Nach Sonnenuntergang folgen Konzert und Selbertanzen. Eingeladen sind einfach alle, nicht nur die üblichen Verdächtigen und das Neustadtpublikum sollen sich angesprochen fühlen. Das gilt über das Eröffnungsfest hinaus für die gesamte Restlaufzeit des Menschengeschlechts. „Zwischen sächsischer Bräsigkeit und Entdeckergeist“: Ikkola kündigt eine Neustrukturierung der Zusammenarbeit mit der Dresdner Freien Szene an, aus der er selber kommt. Schon im Mai bei der stillen Amtsübergabe hatte er von drei Residenz-Compagnien gesprochen. „Sie werden dem Theater in den nächsten Jahren das Gesicht geben, ihre Handschriften und ihre Entwicklungen werden deutlich sichtbar“, sagt er nun. Und sieht sein Societaetstheater, an dem er so oft gespielt hat, als „Theater inmitten der Stadt zwischen Tradition und Moderne, sächsischer Bräsigkeit und Entdeckergeist“. Schon an den Septembervorstellungen fällt auf, dass es häufiger hinaus aus den beiden Sälen des Theaters geht. „Drüll“, ein Baseler Straßenzirkus, tritt am Goldenen Reiter und im Alaunpark auf, die kooperierenden Dresdner Sinfoniker spielen am Sonntagnachmittag ihr Plattenbauopus „Himmel über Prohlis“ ebenda. Wie das große Staatsschauspiel auch klotzen die Societaetler gleich mit einem Megastart. Am ersten Wochenende, am Sonntag, folgen mit „Les Reines Prochaines“ noch drei wilde Damen offensichtlich aus der französischsprachigen Schweiz im Konzert „Schildkrötenritt“. Ein Wochenende später konzertiert die Dresdner Band Die Elektrohand Gottes mit verrockten Schillerballaden. Straßentheater bereichert die Stadtteilkultur: Allein der Donnerstag (17. September) illustriert die fortgesetzten politischen und kulturpolitischen Ambitionen des Societaetstheaters. Die Dresdner guts company arbeitet tänzerisch über Menschenrechte, während zeitgleich im großen Gutmann-Saal eine Zwischenbilanz des „Denkzeit“-Künstlerhilfsprogramms des Freistaates gezogen wird und einige Ergebnisse gezeigt werden. Ende September geht es in „Transitraum“ um Heimat und Grenzüberschreitung. Etwas unglücklich doppeln sich am 24. September die Tanzpremiere „Asphaltwelten“ der Dresdner Company Go Plastic mit Vonneguts „Schlachthof 5“ in Hellerau. Kontinuität verspricht das Engagement in Prohlis, immer wieder bereichert Straßentheater die Stadtteilkultur. Man darf gespannt sein, was nach dem ausgearbeiteten September-Spielplan folgen wird. Ob es gelingen wird, auch im Societaetstheater aus der Not der Schutzvorkehrungen gegenüber dem unsichtbaren Killer eine Tugend zu machen. Ein langes Ikkola-Zitat am Beginn seiner ersten Spielzeit als künstlerischer Leiter trägt jedenfalls programmatischen Charakter: „Wir haben nicht nur ein großes Herz, sondern auch einen langen Atem. Wir entdecken mit unserem Publikum die vielen Spielarten des Theatralen, schärfen den Blick für feingeschliffene Textzeilen ebenso wie das Pulsieren des Tänzermuskels, gehen der Sprache der Dinge auf den Grund und mischen uns ein in die Debatten dieser Stadt.“ www.societaetstheater.de Von Michael Bartsch