Dresden: Sächsische Werkdatenbank verwahrt Kunst-Nachlässe digital

Für einige Künstlergenerationen kam die Wiedervereinigung zu spät. Noch in der DDR ausgebildet, waren sie zu sehr Freigeister, um von der damaligen Kulturpolitik geduldet zu werden. Für den sich nach 1990 neu eröffnenden Kunstmarkt waren sie zu alt, um noch eine reale Chance zu haben. Für eine Aufnahme in einen institutionell fortgeschriebenen Kunstkanon fehlte oft das Glück. Doch was passiert jetzt mit all der Kunst, dem Lebenswerk der Künstler? Vierpunkteplan nach Online-Konferenz: Bereits 2014 wurde im sächsischen Koalitionsvertrag von CDU und SPD die Aufgabe formuliert, eine Standortkonzeption zur Sicherung von Vor- und Nachlässen sächsischer Künstler zu erarbeiten. Der Sächsische Kultursenat und der Landesverband Bildende Kunst Sachsen (LBKS) erarbeiteten ein Konzept für den Erhalt des künstlerischen Erbes. Dieses wurde 2017 dem damaligen Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) vorgelegt, und der Landtag beschloss eine Projektfinanzierung im Doppelhaushalt 2019/20 sowie ein Förderprogramm für Anträge von nichtstaatlichen Museen, Vereinen und Privatpersonen. Das SMWK bat die Landesstelle für Museumswesen, das Pilotprojekt der Künstlernachlasssicherung durchzuführen. Am 31. Dezember 2020 endet dieses Projekt. In einer Online-Konferenz „Zum Umgang mit Künstlernachlässen im Freistaat Sachsen – erste Bilanz und Ausblick“ sind die Ergebnisse des Vierpunkteplanes Werkdatenbank, Fachbeirat, Beratungsstelle und Förderprogramm nun vorgestellt worden. Das virtuelle Podium der Konferenz war breit aufgestellt. Til Ansgar Baumhauer, Vorsitzender des Landrates des LBKS, moderierte die Veranstaltung. Friederike Koch-Heinrichs, neue Präsidentin des Sächsischen Kultursenats, eröffnete mit einem Grußwort. Lydia Hempel, Carolin Ranke (beide LBKS), Jens Bove und Johannes Wolff, Mitarbeiter der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB), und die Chemnitzer Tutorin Daniela Schleich stellten die Sächsische Werkdatenbank (www.werkdatenbank.de) vor. Im zweiten Teil der Präsentation bilanzierten Katja Margarethe Mieth, Direktorin der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen, sowie die Kunsthistorikerinnen Jeanette Brabenetz und Lisa Pribnik die Ergebnisse des Pilotprojektes zur Künstlernachlasssicherung im Freistaat Sachsen. Das Interesse war groß. 130 Teilnehmer hatten sich vor den Bildschirmen versammelt – Künstler, Nachlassverwalter, Museumsmitarbeiter, Kulturpolitiker und weitere Interessierte. Jeder kann ein Werkverzeichnis anlegen: Die Sächsische Werkdatenbank ist weitestgehend fertig. Zu großen Teilen ist deren Entwicklung Mitarbeitern der SLUB zu verdanken, dort ist die Datenbank auch gehostet und vernetzt. Mittlerweile wurden mehr als 14 000 Kunstwerke von 58 Künstlern hochgeladen. Darauf ist man stolz. Berechtigt. Aber bei genauer Betrachtung mutet die Zahl derer, die dieses Angebot nutzen, eher dürftig an. Hier bedarf es noch einer guten Marketingstrategie. Denn die Webseite hat zwar das Design eines Verwaltungsprogrammes, ansonsten ist sie aber wirklich gut. Eine Plattform nicht nur für Nachlassverwalter. Jeder sächsische Künstler kann seine Arbeiten nach einer Registrierung und Freigabe hochladen und somit sein Werkverzeichnis anlegen. Nicht nur für sich. Auch Forscher, Kuratoren und die breite interessierte Öffentlichkeit haben Zugriff auf die Inhalte, können damit arbeiten oder Anmerkungen posten. Vernetzt ist die Plattform bereits mit der Deutschen Digitalen Bibliothek und deren europäischer Version Europeana. Die Oberfläche der Seite ist einfach zu verstehen und bietet viele Möglichkeiten, zahlreiche Informationen rund um Werk und Künstler zu veröffentlichen. Jeder, für den Technik eine Hemmschwelle bedeutet, kann in Dresden, Leipzig und Chemnitz die Hilfe eines Tutoren in Anspruch nehmen und mit diesem gemeinsam die Werke einpflegen. In Dresden steht als Tutorin Susanne Magister begleitend zur Seite. In der Geschäftsstelle des LBKS kann man auch technisches Equipment wie Kameraausrüstung und Beleuchtung für seine Präsentation leihen. Umfragen mit mehr als 300 Teilnehmenden: Eine zu Lebzeiten gut gepflegte bildkünstlerische Dokumentation vereinfacht es kulturellen Institutionen, einen künstlerischen Nachlass zu verwalten und zu bearbeiten. Denn personell und finanziell sind kleine Regionalmuseen dieser Aufgabe sonst kaum gewachsen. Hier braucht es Fördermittel, die für dieses Pilotprojekt nichtstaatlichen Museen zur Verfügung gestellt wurden. 2019 und 2020 wurden mit mehr als 300 000 Euro 18 Nachlassprojekte bei Erwerb, Digitalisierung, Konservierung und wissenschaftlicher Aufarbeitung unterstützt. Im zweiten Teil der Konferenz stellte Jeanette Brabenetz die Ergebnisse der erst Anfang 2020 gestarteten Projektarbeit professionell vor. Die Arbeit des Teams wurde von einem im Sommer 2019 durch das SMWK berufenen Fachbeirat unterstützt. Mithilfe des FOG-Institutes für Markt- und Sozialforschung in Chemnitz wurden für eine Bedarfsanalyse zwei Umfragen unter sächsischen Bildenden Künstlern und Nachlasshaltern mit mehr als 300 Teilnehmern durchgeführt und ausgewertet. Es wurde eine Beratungsstelle aufgebaut, und es wurden mittlerweile 110 Beratungsgespräche geführt sowie Handreichungen und Empfehlungen zu Rechtsfragen im Umgang mit Künstlernachlässen ausgearbeitet. Als Fazit steht im Raum, dass die Beratungsarbeit an erster Stelle stehen sollte, Museen über Förderung zu stärken sind und die Förderrichtlinien angepasst werden sollten. Beispielsweise wird dafür plädiert, die bisherige Trennung des Werkes vom restlichen Nachlass wie Schriftgut aufzuheben. Weiterführung des Projektes entscheidet sich im März: Der Pilotfilm ist gut gestartet, nun kann die erste Staffel veröffentlicht und weitere gedreht werden. Doch Katja Margarethe Mieth, Direktorin der Landesstelle für Museumswesen, musste das Meeting leider mit einem Wermutstropfen beschließen. Das Projekt ist zum Jahresende ausgelaufen. Eine Weiterführung soll auf Landesebene im März 2021 mit der Verabschiedung des nächsten Doppelhaushaltes beschlossen werden. Doch durch Corona ist sie jetzt weniger optimistisch, dass Gelder bereitgestellt werden können, als zu Beginn des Projektes. Katja Mieth versichert jedoch, dass die gesamte Projektarbeit gut dokumentiert ist, sodass jederzeit der Faden wieder aufgenommen werden kann. Unabhängig davon wird der Fachbeirat weiterarbeiten. Hoffen wir das Beste. Eine Regelung des Umgangs mit Künstlernachlässen ist überfällig. Auf die Frage der rein physischen Bewahrung des künstlerischen Erbes – wer, wo und wie – gibt es bisher mehr abgelehnte Vorschläge als befriedigende Lösungsansätze. Es besteht akuter Handlungsbedarf, wenn wir nicht wollen, dass spätere Generationen ratlos vor einer ungeschriebenen Kunstgeschichte jenseits von Richter und Co. stehen. Für das virtuelle Gedächtnis ist zumindest erst einmal gesorgt. https://www.werkdatenbank.de/ Von Patrick-Daniel Baer