Das Deutsch-Sorbische Volkstheater Bautzen startet in die Spielzeit

Von „Berufsverbot für uns Kulturleute“ sprach und schrieb Lutz Hillmann noch im Sommer – doch nun ist die neue Spielzeit am Deutsch-Sorbischen Volkstheater mit sich stetig steigender Vorfreude gestartet: Sowohl bei der Spielzeitpressekonferenz als auch bei der ersten Premiere am Burgtheater Bautzen schwang viel Zuversicht beim Bautzner Intendanten mit – verknüpft mit großem Lob ans Gesundheitsamt und die neue Amtsärztin des Landkreises. Denn: „Theater ist für uns die Quelle von alldem, das Leben erstrebenswert und lebenswert macht.“ Bereits Anfang Juno nutzte man mutig die Chance, um die Spielzeit im Theatergarten am Großen Haus ein wenig zu retten – um im Gespräch und im Kontakt mit dem Publikum zu bleiben. Und spielte dann bis Anfang August durch (32 Vorstellungen vor knapp 1500 Zuschauern an 17 Vierertischchen) – und nun seit Anfang September schon wieder. Puppenreigen in Friedenszeiten: Damals wie heute startet die Puppensparte den Theaterreigen – jeweils mit einer Uraufführung in Regie von Spartenleiter Stephan Siegfried. War es im Juni via „Arche Nora“ kinderherzerweichendes Objekttheater für Leute ab vier, ist diesmal eine ambitioniert-abstrakte Stadtstory für Erwachsene ab 14 aus der Feder der eigens engagierten Autorin Ingrid von Zadow: „Hallo Nachbar – (Un)Sinnbilder mit Glump“ als Puppenkomödie angekündigt. Die Puppen dafür schuf die in Sachsen bestens bekannte Marita Bachmaier – vier abstandhaltende und frisch desinfizierte Spieler, also Marie-Luise Müller, Eva Vinke, Annekatrin Weber und Andreas Larraß, agieren mit Verve in drei Ebenen: gesichtslose Kleinpuppen, halbgroße Kopfpuppen und als Person mit Maske. Ein nahezu quadratisches weißes Regal dient als Querschnitt eines schlichten Sechs-Familienmietshauses, in dem die typischen urbanen Beziehungsnomaden leben: eine alleinstehende Mutter mit aufreibendem Job, wobei nur deren Tochter Merle auftaucht, zwei einsame Singlerentner, dazu eine 2er-Junggesellen-WG und eine gen Amerika gereiste Familie mit üppig wachsender Pflanze. Dazu gesellt sich neu die farbige Doktorandin Patrizia – und bringt dermaßen Schwung in die Bude (auch mit einem der Männer), dass das Haus (oder der innewohnende Hausgeist namens Glump) anfängt zu spuken. Ihr Hund namens Entertainer komplettiert die Besatzung, wobei nach und nach einfach eine Wohnung knirschend verschwindet – ohne dass jemand verlorengeht. Es wird zwangsweise zusammengerückt, jeder Nachbar ist (mehr oder minder) willkommen, denn jeder kann als Nächster in Wohnungsnot geraten. Sobald es direkt und persönlich wird, wechselt die Spielebene – in zwei grauen Rollcontainern toben aus Fenstersicht die Konflikte mit halbgroßen Charakterkopfpuppen in wunderbarer Lichtregie. Dennoch erschöpft sich die Geschichte recht bald, der Tiefgang in den Dialogen wie Charakteren fehlt – und man wünscht sich eine weidliche Ausnutzung des durchaus opulenten Grundgedankenspiels mit sozialem Charakter. Im Gegensatz zur Juni-Premiere lassen zudem Witz und Pointe vergeblich warten – als Botschaft bleibt, dass offenbar jedem sein privater Schulterglump, gern auch mal als Vampir tätig, gegönnt sei, der oder die (oder das?) bei Einsamkeit asozialen Unfug ins Hirn flüstert. So sitzen zum Schluss alle Mieter gemeinsam ohne Ausweg oben links in Wohnung 6. Bauhaus, Partizipation und Gott warten: Bereits Mitte Oktober lebt hier das Bauhaus auf: Regisseurin Franziska Merkel, Dramaturgin Karoline Wernicke und Puppenspieler Moritz Trauzettel, der die Figuren formt, und zwei weitere Kolleginnen bieten „Die Reise zum Mittelpunkt des Raumes – das Bauhaus lebt!“. Spartenchef Siegfried gönnt sich im Januar mit „Godow & Somorrha“ in Regie von Richard Kopperman die zweite Folge des „Gedöns vonner Insel“ als nächsten großen Spaß. Und das 60. Spartengründungsjubiläum wird im Mai 2021 ausgiebig gefeiert: mit dem 8. Sächsischen Puppentheatertreffen, wozu alle anderen vier städtischen Puppenbühnen des Landes anreisen. Dieses geht dann quasi nahtlos in ein deutsch-polnisches Freiluftpuppentheaterfestival mit Großpuppen und Stadtumzug über. ■ „Die Reise zum Mittelpunkt des Raumes – das Bauhaus lebt!“ ■ „Godow & Somorrha“ ■ „Der dressierte Mann“ ■ „Gott“ ■ „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ Die Schauspielzeit manifestiert sich dann am 9. Oktober mit einer neuen Komödie in Regie von Oberspielleiter Stefan Wolfram in der Premiere: „Der dressierte Mann“ von John von Düffel nach dem Roman von Esther Vilar. Mit dabei: Larissa Ruppert und Julian Laybourne – also zwei von drei neuen Spielern. Danach wird sich – einen Abend vorm Reformationstag – Lutz Hillmann als dritter Regisseur in Deutschland an Ferdinand von Schirachs nagelneuem „Gott” wagen. Aber auch die ausgefallenen Höhepunkte der vergangenen Saison finden sich im neuen Spielplan wieder. So „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ (nun am 26. Februar 2021) und vor allem der große 25. Theatersommer als Freiluftspektakel (ab 24. Juni 2021). Die Spielzeit in Bautzen kann also gut und gern ganz und gar seuchenfrei bleiben. Nächste Vorstellungen im Burgtheater Bautzen am 3. Oktober, 19. & 26. November sowie 18. Dezember (je 19.30 Uhr) www.theater-bautzen.de Von Andreas Herrmann