Es wäre leichter, im Zusammenhang mit der Bundestagswahl von Befürchtungen zu sprechen. Meine Hoffnung wäre, dass die AfD sehr schlecht abschneidet und die Linke wieder drittstärkste Partei wird. Aber schon allein für diese bescheidenen Wünsche brauchte es ein Wahlwunder. Die Fehler der Vergangenheit rächen sich leider, die Große Koalition hat das politische Klima im Land polarisiert, weil die Konflikte bestenfalls hinter verschlossenen Türen ausgetragen worden. Der SPD wünsche ich, dass sie endlich ihre soziale Handbremse löst und sich von Angela Merkel distanziert, Bündnis90/Die Grünen, die mal meine Partei waren, sind mir fremd geworden. Die grundsätzlichen Probleme in dieser Welt haben im Wahlkampf überhaupt keine Rolle gespielt. Was bedeutet denn die Bekämpfung von Fluchtursachen tatsächlich? Das erfordert einen Handel, der der anderen Seite die gleichen Standards zubilligt wie uns, der nicht die Märkte der Ärmsten mit EU-Subventionen zerstört, der andere letztlich unseren Dreck schlucken lässt, weil sie für uns zu Dumpingpreisen produzieren müssen. Aber das bedeutete Verzicht auf Gewinn, auf Wachstum etc. Ich möchte nicht weiter in einer Welt leben, in der es uns so gut geht (bei allen gravierenden Unterschieden), weil es anderen so dreckig geht. Ingo Schulze (54), Schriftsteller („Peter Holtz“)