Noch nie ist mir wählen gehen so schwer gefallen wie diesmal. Ich darf wählen, seit ich vor 30 Jahren deutsche Staatsbürgerin geworden bin. Als Duisburger Arbeiterkind bin ich sozialdemokratisch aufgewachsen. Doch mit jeder Wahl verschwanden die klaren Abgrenzungen der Parteien etwas mehr. Die SPD wurde mit Gerhard Schröder unsozialer, die CDU mit Angela Merkel nicht nur sozialer, sondern auch grüner. Wo muss ich also die Unterschiede suchen, um mein Kreuz an der für mich richtigen Stelle zu machen? Es gibt zwei Fragen, die ich mir vor jeder Wahl stelle: Was bringt sie mir persönlich? Und was bringt sie der Allgemeinheit? Das auszupendeln, zeichnet Demokraten aus. Als alleinerziehende Mutter wähle ich eine andere Partei als die selbstständige Journalistin. Deshalb wähle ich die, die mein ganzes Land im Blick haben. Ich erhoffe mir gerade bei dieser Wahl, dass sich jeder seiner Verantwortung bewusst ist. Hatice Akyün (48) ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin („Einmal Hans mit scharfer Soße“).