zehn Dresdner des Jahrzehnts Sabine Ball

Ihr Leben war ein Leben der Extreme, eine Achterbahn der Gefühle. Sabine Ball hat alles erlebt. Sie war Millionärin und Hippie, steinreich und bettelarm. Sie wohnte in Luxusvillen aber auch in Abrisshäusern, sie lebte mit den Reichen in Miami und den Bettlern in New York. Sie tanzte mit dem Schah von Persien und putzte fremde Wohnungen, bis sie zur Straßenkinderoma wurde. Zur Mutter Teresa von Dresden. 1945 kommt Sabine Koritke als Kriegsflüchtling von Königsberg nach Dresden, erlebt hier die Zerstörung der Stadt und will nur noch weg. Weg aus Dresden, weg aus Deutschland. 1949 verlässt sie das Land und reist zu ihrer Tante nach Amerika, absolviert dort eine Hotelfachschule, wird Managerin eines Yachtclubs. Sabine ist jung, hübsch, charmant und von einer unglaublichen Ausstrahlungskraft. Sie heiratet den Millionär Cliff Ball und lebt zehn Jahre lang in Luxus und Reichtum, bis sie irgendwann merkt, das kann nicht alles im Leben sein. Sie langweilt sich, hat kein Ziel, keine Aufgaben, aber im Kopf die Worte ihres Vaters „Lebe ein sinnvolles und ehrliches Leben und mach keine Kompromisse mit der Wahrheit“. Sabine Ball lässt sich scheiden und zieht auf der Suche nach einem erfüllten Leben um die halbe Welt. Sie lebt mit den Blumenkindern in San Francisco, baut eine Hippiegemeinde auf und reist zur Erleuchtung in ein Kloster am Randes des Himalaya. Sie kommt ohne Erleuchtung zurück in die USA und findet hier durch einen Hippie zu Gott. Von da an ändert sich ihr Leben, sie will Gott dienen und kümmert sich um Kranke, Arme, Drogensüchtige, Sterbende. 1980 kehrt sie nach Deutschland zurück und besucht 1992 Dresden. In der Neustadt sieht sie die Probleme der Kinder und Jugendlichen, die auf der Straße leben und sich mit Alkohol und Drogen ihr Leben kaputt machen. Ihnen will sie helfen. Ihr Plan: ein Café und ein Secondhandladen mitten in der Neustädter Szene. Sie besucht Gemeinden, bittet um Spenden, findet Helfer und eröffnet ein Jahr später in einem ehemaligen Schnapsladen auf der Martin-Luther-Straße das Café Stoffwechsel. Dort gibt es Kuchen, Brötchen und den preiswertesten Kaffee der Stadt. Im Laden nebenan kann man billige Kleidung kaufen. Zunächst ist dies ein Treffpunkt für Leute aus den Kirchgemeinden. Aber bald kommen auch Straßenkinder, Punks, Obdachlose, Junkies. Die glauben nicht an Gott, aber sie haben zum ersten Mal das Gefühl, dass ihnen jemand zuhört und an sie glaubt. Sabine Ball gibt ihnen Zeit, Wärme, Essen, Kleidung und vor allem Hoffnung. Sie sind dankbar aber auch unberechenbar. Immer wieder gibt es Ärger, manchmal auch Schlägereien. Sabine Ball muss schlichten, die Nachbarn beruhigen, mit der Polizei reden. Das ist nicht immer einfach und sie nicht mehr die Jüngste. Aber ihr Glaube macht sie stark. Sie hilft wo sie kann. Sie besucht Jugendliche im Gefängnis, hört Huren und Drogensüchtigen zu. Das Café wird zu klein, neue Häuser kommen hinzu. Das „stoffwechselteam“ wird vergrößert, genau wie die Angebote und Programme. Politiker und Medien werden auf Sabine Balls karitative Arbeit aufmerksam. Sie erzählt gern aus ihrem Leben, den Rummel um ihre Person lehnt sie ab. Auch das Bundesverdienstkreuz, weil ihrer Meinung nach „allein Gott das Verdienst zukommt“. 2005 übergibt sie die Leitung des stoffwechsel e.V. an den Mitbegründer Ralf Knauthe. Aber sie ist weiter unterwegs auf den Straßen der Neustadt oder zu Vortragsreisen in ganz Deutschland. So auch am ersten Juli-Wochenende 2009 mit ihrer Freundin Anna Silberberger. Am 7. Juli erleidet Sabine Ball in ihrer Wohnung in der Dresdner Neustadt einen Herzinfarkt und stirbt. Die Mutter Teresa von Dresden, wie sie Ex- Oberbürgermeister Herbert Wagner einst nannte, ist tot. Sie selbst hat diesen Namen übrigens nie gemocht. Der Verein setzt die Arbeit in ihrem Sinne fort. „Wir wollen retten, was andere fortwerfen: alte Möbel, alte Häuser oder – das Wertvollste – Kinder und Jugendliche. Menschen, die andere abgeschrieben haben. Kein Mensch ist in Gottes Augen wertlos. Er liebt die Menschen und kann in jedem Gutes wecken. In jedem!“ geboren am 9. September 1925 als Sabine Koritke in Königsberg Geschieden, zwei Söhne 1949 Umzug von Deutschland in die USA Besuch einer Hotelfachschule Managerin eines Yachtclubs 1968 Aufbau der Hippiegemeinde „The Land“ in Big Sur ab 1971 caritative Arbeit in Kalifornien und New York 1980 Rückkehr nach Deutschland 1992 Besuch in Dresden 1993 Gründung des stoffwechsel e.V. und Eröffnung des Cafes Stoffwechsel in der Dresdner Neustadt Am 7.Juli 2009 stirbt sie in Dresden Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 4. Januar 2011. 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Dresdner des Jahrzehnts 2000–2009 - Sabine Ball: Die Mutter Teresa von Dresden