Zehn Dresdner des Jahrzehnts Uwe Tellkamp

Mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ist der Schriftsteller Uwe Tellkamp 2004 bekannt geworden. „Der Turm“ aber, sein Roman über die letzten sieben Jahre der DDR, hat ihn 2008 berühmt gemacht. Uwe-Johnson-Preis, Deutscher Buchpreis, Literaturpreis der Adenauer-Stiftung, Nationalpreis – viel Ehre, viel Aufmerksamkeit, häufige öffentliche Auftritte. Dabei hält Tellkamp dem Zeitgeist zum Trotz an der Auffassung fest, ein Schriftsteller gehöre an den Schreibtisch und nicht ins Rampenlicht. Literarisch zu gestalten, das betrachtet er als seine ureigene Gabe und Aufgabe. Gelegentlich zitiert er zur Verteidigung einen seiner Leitsprüche, eine Zeile von Goethe: „Bilde, Künstler! Rede nicht!“ Inzwischen liegt die obligatorische Lesetournee hinter ihm, hat er wieder mehr Ruhe vor Journalisten, kann sich ungestört in sein Refugium zurückziehen, wo Einfälle zu Texten wachsen, die er vorzugsweise mit dem Füllfederhalter notiert. Sein Schreibtisch steht – nach jahrelangen Aufenthalten in München, Karlsruhe und Freiburg im Breisgau – seit 2009 wieder in einem Wohnhaus auf dem Weißen Hirsch in Dresden. Dort, wo er, Jahrgang 1968, nach ersten Jahren in einem Plattenbau und Schule in Johannstadt aufgewachsen ist, als Sohn eines Arztes und einer gelernten Krankenschwester, später Kindergärtnerin. „Erziehung zur Genauigkeit“ hat er in einem Interview als eine wichtige Erfahrung beschrieben. Geprägt hat ihn jenes innerhalb der geschlossenen DDR noch einmal „eingekapselte“ DDR-Bildungsbürgertum in seiner Dresdner Variante. Wo man eine ebenso ernsthafte wie gründliche Beschäftigung mit Literatur und Musik pflegte, nachgerade lebte in dieser ästhetischen Gegenwelt. Auch wenn Tellkamp als Romanautor bekannt wurde - sein erstes Buch war ein Versepos: „Der Nautilus“, 1999 erschienen im Buchlabor, eine erste Version. Auflage: sechs Exemplare. Seit Mitte der 1990er Jahre schreibt er daran - bis heute. Diese Tauchfahrt durch Tiefsee und Weltgeschichte ist zu einem seiner literarischen Großprojekte geworden. 2004 erhielt er für einen Auszug daraus den Dresdner Lyrikpreis. „Epos: die adäquate Form, unserer Zeit und Welt im Weltentwurf zu begegnen, da es – von den lyrischen Ausdrucksweisen – allein in der Lage ist, viele widerstreitende Stimmen, indem es sie als Teil eines größeren Ganzen und das Ganze somit als Partitur behandelt, in einer Komposition zu harmonisieren“, hat Tellkamp einmal in einem Essay notiert. 2000 aber erschien zunächst sein Roman „Der Hecht, die Träume und das Portugiesische Café“. Eine poetische, surreale Prosa, die von jungen Leuten in der Dresdner Neustadt erzählt. Etwas unausgegoren noch, aber vielversprechend. Heute schaut er sehr kritisch auf diesen Erstling zurück. Wäre es nach ihm gegangen, hätte es keine Neuauflage gegeben. Aber dieses Buch hat uns zumindest schon gezeigt, wie sehr dieser Autor Dichter ist, auch wenn er Prosa schreibt – bis heute. „Der Schlaf in den Uhren“ heißt ein weiteres seiner Langzeit-Projekte. Dafür gab es den Bachmann-Preis. Hiermit schien für ihn eine Lebensentscheidung gefallen zu sein: Tellkamp gab den Arztberuf zugunsten der Schriftstellerexistenz auf. Sein Roman „Der Eisvogel“ (2005) rief ein geteiltes Echo bei den Kritikern hervor. Ein Buch über Demokratieüberdruss und Terrorismus, ein Gedankenspiel mit einer konservativen Revolution. Christian, eine der drei Hauptfiguren des Romans „Der Turm“, hat vieles gemeinsam mit dem Autor: Abitur, Bewerbung fürs Medizinstudium, drei Jahre Armee, im Oktober 1989 Befehlsverweigerung, Arrest. Doch Autobiografie ist der Roman nicht. Man beachte den Hinweis über dem Impressum: „Die Personen, wie sie geschildert werden, leben in der Vorstellung und haben mit tatsächlich existierenden Menschen soviel gemein wie der Bildhauerton mit einer Skulptur.“ Über welche poetische Imaginationskraft Uwe Tellkamp neben seiner realistischen Detailgenauigkeit verfügt, hat er zuletzt mit dem Gedichtzyklus „Reise zur blauen Stadt“ (2009) bewiesen. Ein ganzes Personenensemble schickt er darin durch filigrane Traumwelten. In diesen Versen erweist er sich als Virtuose der Vielstimmigkeit. Arzt und Schriftsteller, verheiratet, zwei Kinder geb. 28. Oktober 1968 in Dresden 1987: Abi in Dippoldiswalde; dreijähriger Wehrdienst in Panzerbataillon 1989: Befehlsverweigerung, Degradierung, Gefängnis, Verlust des Medizin-Studienplatzes 1990: Medizinstudium 1997: Arzt im KH Friedrichstadt 2001: Arzt in München 2004: Dresdner Lyrikpreis; Ingeborg-Bachmann-Preis; Aufgabe des Arztberufes 2008: Roman „Der Turm“; Uwe-Johnson-Preis, Deutscher Buchpreis 2009: Literaturpreis Adenauer-Stiftung, Deutscher Nationalpreis Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 30. 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