Zehn Dresdner des Jahrzehnts Tom Pauls

Seine verschmitzte Note lässt er als Ilse Bähnert an der Seite Uwe Steimles aufblitzen – oder er stellt sich mit Peter Kube und Jürgen Haase auf die Bühne, wo sie seit fast 28 Jahren als Zwinger-Trio brillieren. Das Komische ist das Fach des gelernten Schauspielers Tom Pauls geworden. Seine Mundart hat der 1959 in Leipzig Geborene dabei nie verleugnet, im Gegenteil. Nicht nur in der Bähnert-Figur, auch bei seinen mittlerweile legendären Lene-Voigt-Abenden illuminiert der Sprachstratege die gefühlten Nachteile des weichen Nuschelsachsen-Sprechs, deutet sie damit zu Vorteilen um – und fährt die Ernte eines dankbaren Publikums ein. Auch die von ihm verkörperte Hausmeister-Figur Ottmar Wolf in der MDR-Serie „In aller Freundschaft“ bediente diese Sprachschiene. Also kein Wunder, dass sich die von Pauls Ende 2007 gegründete Ilse-Bähnert-Stiftung, die in Pirna ihr Zuhause fand, die Bewahrung und Pflege sächsischer Kultur und Sprache auf die Fahnen geschrieben hat. Und ebenso wenig überrascht, dass sich Pauls auch darum kümmert, zusammen mit anderen Enthusiasten das schönste oder gar am stärksten vom Nichtgebrauch und damit Aussterben bedrohte sächsische Wort zu finden. 2009 waren das „fischelant“ (gewitzt, geschäftig) und „Asch“, die Bezeichnung für einen Wäschebottich. Man darf Pauls wohl ohne weiteres Heimatliebe als einen prägenden Teil seines Charakters, auch seiner Arbeit, bescheinigen. Er ist einer, der sich Gedanken macht, und zwar nicht auf platte ostalgische Weise (auch wenn er 1993 gemeinsam mit Uwe Steimle das Programm „Ostalgie“ aus der Taufe hob). Pauls hält andererseits selbst mit gesellschaftlichen Einschätzungen nicht hinterm Berg. Vor einigen Jahren äußerte er in einem Interview den Satz, dass nach der friedlichen Revolution das, was viele erträumten, nicht aufgegangen sei. „Und die jetzige Bundesrepublik ähnelt der DDR in vielen Dingen mehr, als mancher es sich vorstellen kann“, sagte Pauls damals. Politische Meinungsäußerung über alle Systemwechsel hinweg. Eine seiner wichtigsten und besten Ideen hatte Pauls jedoch, wenn man so will, auf Organisationsterrain. Anfang der 90-er Jahre war er eine der treibenden Kräfte hinter der Gründung des wohl ersten ostdeutschen Privattheaters, des Dresdner Brettls. Und zusammen mit Holger Böhme, heute ebendort Hausautor und Regisseur, verfiel er auf die Idee, schließlich ein ausgedientes Schiff zum endgültigen Bühnenort für das Brettl zu machen. Der Theaterkahn dockte 1994 unterhalb der Semperoper an, nach allen Querelen, die natürlich in erster Linie finanzieller Natur waren. Happy End durch Engagement. Hier ist er immer noch regelmäßig zu erleben, unter anderem mit seinen „Sächsischen Variationen“ oder dem Ein-Mann-Stück „Ausgebremst oder Der Traum vom Fahren“. Wer einen Blick in den aktuellen Terminkalender des mobilen Schauspielers wirft, muss sich keine Sorgen machen, dass Pauls an Langeweile leidet. Und noch eins wird dokumentiert: Pauls ist einer, der zu großen Teilen seine Programme in der Region spielt, die bis Leipzig, Hoyerswerda oder Stolpen reicht und durchaus auf Thüringen und Sachsen-Anhalt ausgedehnt wird. Die Inkarnation des fahrenden Künstlers. Abschließend noch einmal zurück zum Sächsischen. Pauls, der im März auf der Leipziger Buchmesse mit seinem Hörbuch „Rettet uns den Gogelmosch“ zu Gast war, kümmert sich also auch publizistisch – wenn man so will – um „seine“ Mundart. Ob die an der Pleiße von ihm getroffene Aussage, der Dialekt sei „fast wie Französisch“, ernstzunehmen ist, bleibt dahingestellt. Wer Pauls ein wenig kennt, weiß aber, dass man gut daran tut, hinter den mundartlichen Wortkaskaden mehr zu vermuten als das Schielen nach dem nächsten Lacher. Das unterscheidet den Kabarettisten und Komödianten Pauls von vielem, was sich seit Jahren unter dem Etikett Comedy tummelt. Die hatte er schon erfunden, und zwar ganz anders, als dieser Begriff noch selig in englischen Wörterbüchern schlummerte. www.tompauls.de geb. 1959 in Leipzig, erhielt als Kind Klavier- Gitarrenunterricht 1979–88 Schauspielstudium an der Theaterhochschule Leipzig, 1983 Engagement im Ensemble des Staatsschauspiels Dresden während der Studienzeit Gründung des Zwinger-Trios seit 1990 freischaffend, 1991 erster Soloabend am Dresdner Brettl, 1993 mit Uwe Steimle „Ostalgie“ 1994 Gründung des Theaterkahns seit 1998 regelmäßige Zusammenarbeit mit Orchestern Rollen u.a. an der Staatsoperette Dresden und der Komödie Dresden, auch diverse Filmauftritte lebt in Dresden, ist verheiratet und hat drei Söhne Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 4. 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Dresdner des Jahrzehnts 2000–2009 - Tom Pauls: Vollblutkomödiant und Dialektpfleger