Immer wieder stehen sie in den Schlagzeilen – oder mit Handschellen im Gerichtssaal. Dennoch haben sie hunderttausende Fans, auch über die Landesgrenzen hinaus. Die Rede ist von der Dresdner Rappergruppe KMN Gang.
Am Mittwochabend hat Crewmitglied Azet im Rahmen seiner „Fast Life Tour“ ein Konzert in der Tante Ju gegeben, die drei weiteren Gangmitglieder standen ebenfalls auf der Bühne. Zahlreiche junge Menschen waren gekommen, um Azet, Zuna, Nash und Miami Yacine live zu erleben.
Kredibilität durch Kriminalität
Auch in ihrer Heimatstadt nahm die KMN Gang wie gewohnt kein Blatt vor den Mund und berichtete auf der Bühne ungeschönt aus dem Drogen-Milieu. Die Raptexte der Hip-Hop-Formation sind von Hass, Rauschgifthandel und Kriminalität geprägt. Zwischen den Zeilen geht es aber auch um die Liebe zum Ghetto, lilafarbene Scheine und Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Und die vier Jungs wissen, wovon sie sprechen: Azet muss immer wieder Haftstrafen verbüßen, vor einigen Jahren hat er einem Mann sein Messer in den Rücken gerammt. Auch Zuna wurde schon mehrfach festgenommen, und Nash stand unlängst wegen diverser Drogengeschichten vor dem Landgericht in Dresden.
Mitten im Konzert erschienen plötzlich zwei maskierte Polizeibeamte auf der Konzertbühne, um Azet abzuführen. Natürlich war die Festnahme nur Show, wenige Augenblicke später betrat der Kosovo-Albaner wieder die Bühne, ihm wurden Handschellen angelegt. Er streckte den Mittelfinger ins junge Publikum. „Für die Drecksbullen und den Richter“, rief er. Die Zuschauer taten es ihm gleich.
Seit sich die Rapper mit Schlägereien und Drogendelikten ein Banditen-Image angeeignet haben, wird die Kredibilität der KMN Gang in der Szene nicht mehr infrage gestellt. Es ist alles echt, und im Rapgeschäft ist Glaubwürdigkeit ein wichtiges Kriterium. Stolz sind die Musiker nicht auf ihre Taten, doch Ehre hat in der Gang nun mal einen hohen Stellenwert: „Es tut mir leid, hätt’ ich damals nicht zugestochen, könnt’ ich heute nicht in den Spiegel gucken“, rappt Azet etwa auf dem Song „Kopf Schrott“.
Pioniere aus dem Prohliser Plattenbau
Die kriminelle, rebellische Aura, die das Dresdner Kollektiv umgibt, scheint bei der Zielgruppe ziemlich gut anzukommen: Die Videos der Rapper werden auf YouTube millionenfach geklickt, allein der Titel „Kokaina“ von Miami Yacine durchbricht bald die 130-Millionen-Marke.
Angefangen hat der kometenhafte Aufstieg der KMN Gang im Hip-Hop-Geschäft vor zwei Jahren. Was damals als Hype im ostdeutschen Raum anfing, brachte bald eine Revolution des deutschen Straßenrap. Denn die KMN Gang war es, die den Sound aus den berüchtigten Pariser Randgebieten vor zwei Jahren nach Deutschland geholt hat. Dort war es schon länger gang und gäbe, dass die Textpassagen im krassen Kontrast zur Vortragsweise stehen: Die Zeilen über das Leben im Problemviertel werden in eingängigen Gesang verpackt und per Tonhöhenkorrektur (Autotune) aufgemotzt. Die Beats sind nicht mehr aggressiv, sondern tanzbar und melodisch.
Die KMN Gang hat sich diesen Stilmitteln bedient – und ist damit auf eine riesige Marktlücke im Deutschrap-Universum gestoßen. Das Konzept der Pioniere aus dem Prohliser Plattenbau hat sich bewährt: Mittlerweile fährt fast jeder erfolgreiche Sprechgesangskünstler hierzulande diese Schiene.
Aus Liebe zum Problemviertel
Neben ihrer Vorreiterrolle ist es auch ihre Treue zur Straße, die den Fans der KMN Gang imponiert. Denn obwohl sie in ausverkauften Hallen in der gesamten Republik auftreten, in aufwendig produzierten Videos mit teuren Autos herumfahren und in Luxussuiten abhängen, sind die Gangmitglieder ihrem Viertel treu geblieben. Sie machen Musik von der Straße für die Straße.
Vor allem Azet, der seine ersten Songs im Dresdner Jugendhaus Spike aufnahm, hat seine Wurzeln nie vergessen. „Wer von euch ist aus Prohlis?“, rief der Musiker, der selbst im Problemviertel im Dresdner Süden aufgewachsen ist, am Mittwochabend in die Zuschauermenge. Jubel aus dem Publikum.
Nach zwei Stunden war das Rapkonzert auch schon wieder vorbei. Die Textzeilen und die einprägsamen Melodien hallten noch einige Zeit nach. Aber das Bild des Abends bleibt am längsten im Gedächtnis haften: ein Mann, der seine Tochter auf dem Rücken trug, damit sie das Geschehen auf der Bühne besser verfolgen konnte. Das Mädchen, etwa fünf Jahre alt, genoss das Konzert sichtlich: Sie hob die Hände im Takt – und sang sogar die eine oder andere Textpassage über Bandengeschäfte und Waffengebrauch einfach mit.
Von Junes Semmoudi