Wenn ein ehemaliger Stasi-Mann seinem früheren Vorgesetzten in der ARD-Serie „Weißensee“ abspricht „allmächtig“ zu sein, wenn vom langen Arm des DDR-Geheimdienstes selbst nach der Wende bis zur Treuhandanstalt, der CIA oder westdeutschen Ermittlungsbehörden die Rede ist, dann hat das Drehbuch genau das Thema aufgegriffen, dem sich Andreas Kötzing am Donnerstag bei einer Veranstaltung in der Außenstelle des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Dresden widmen wird.
Vergleich mit dem Kalten Krieg
Der Historiker aus dem Hannah-Arendt-Institut beschäftigt sich im Vortrag mit der visuellen Darstellung der Staatssicherheit, der Inszenierung der DDR-Geschichte und den Handlungsschwerpunkten der Filme und Serien. Der Blick geht dabei auch zurück in die Zeit vor 1989/90, um die gegenwärtigen Bilder der Staatssicherheit mit Selbst- und Fremddarstellungen aus der Zeit des Kalten Krieges zu vergleichen.
Kötzing stützt sich auf seinen kürzlich herausgegebenen Sammelband „Bilder der Allmacht – die Staatssicherheit in Film und Fernsehen“ mit Aufsätze verschiedener Autoren und wird damit die mediale Inszenierung der Staatssicherheit von den 1950er Jahren bis in die Gegenwart auch anhand einiger Filmbeispiele belegen.
Filme prägten Bild der Stasi
Klar wird dabei, dass sich das bis heute haltende Bild der Staatssicherheit stark durch die filmische Darstellung in einer Zeit geprägt hat, in der die Stasi vor allem geheim arbeiten wollte und somit kaum Interesse an einer dokumentarischen Darstellung ihres Innenlebens hatte. Vielmehr instrumentalisierte sie beispielsweise nach den Wirren des Volksaufstandes von 1953 die Medien für ihre propagandistische Zwecke, als öffentlichkeitswirksam westliche Agenten enttarnt und angeklagt wurden.
Während die Allmacht der Staatssicherheit auf ostdeutscher Seite herausgestellt worden sei, um die vermeintlich beschützende Funktion des Geheimdienstes zu betonen, hätten westliche filmische Inszenierungen auf die Darstellung von ostdeutschen – oder generell: kommunistischen – Agentenfiguren zurückgegriffen, um die Unmenschlichkeit der sozialistischen Gesellschaftsordnung in Szene zu setzen. Die Filme im Osten fokussierten auf die „Aufklärung“ von ausländischen Feinden und klammerten die Überwachung der eigene Bevölkerung systematisch aus.
Kundschafter als Heldenfiguren
Der Versuch, die Kundschafter als sozialistische Heldenfiguren zu profilieren, beinhaltete erstens die Abgrenzung von westlicher Dekadenz – übermäßiger Alkoholkonsum, leichtfertiger Einsatz von Schusswaffen oder oberflächliche Bettgeschichten waren tabu – und zweitens die intellektuelle, moralische und strategische Überlegenheit, die keinen Platz für innere Zweifel oder Skrupel im Umgang mit der eigenen Arbeit ließ.
Doch auch wenn Kötzing etwa dem „Weißensee“-Mehrteiler attestiert, um ein differenziertes Bild bemüht zu sein, so hat der Geschichtswissenschaftler doch eine kritische Distanz zum filmischen Niveau der dargestellten DDR-Realität. „Die Qualität schwankt sehr stark“, meint Kötzing und spricht von meist „starren und eindimensionalen Bilder, die sonst häufig mit der Darstellung der Staatssicherheit in Film und Fernsehen einhergehen“.
Das Spektrum reiche von eher oberflächlichen Filmen, in denen die Staatssicherheit oftmals als allmächtiger Geheimdienst erscheint, über Genre-Filme - „Ballon“ beispielsweise als Thriller, in „Kundschafter des Friedens“ tauge die Stasi sogar zur Komödie - bis hin zu sehr differenzierten Filmen, in denen Geschichten mit Bezug zur Staatssicherheit aus einer individuell-persönlichen Perspektive erzählt werden. Kötzing nennt unter anderem „Barbara“ von Christian Petzold oder auch „Gundermann“ von Andreas Dresen.
DDR-Geschichte grundsätzlich als Stasi-Geschichte
Der häufig formulierte Anspruch, dass Filme historische Ereignisse authentisch abbilden, weil sie auf realen Tatsachen basieren, blende die ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge ihrer Entstehung ebenso aus wie Zuspitzungen, Vereinfachungen und emotionale Dramatisierungen, ohne die sich keine Spielfilmhandlung erzählen lasse. Geschichte erscheine im Film daher zwangsläufig nie so, wie sie „wirklich war“, sondern so, wie sie sich die Filmemacher heute vorstellen und individuell rezipieren. Das machte ihren Reiz – und zugleich die Schwierigkeit – ihrer Interpretation als wirkmächtigen Teil unseres kulturellen Gedächtnisses aus.
„Es gibt aber - insbesondere seit dem immensen Erfolg von ,Das Leben der Anderen’ im Jahr 2006 - eine Tendenz, DDR-Geschichte im Film grundsätzlich als Stasi-Geschichte zu erzählen“, konstatiert der Forscher. Es gebe zumindest nur selten Filme über das Leben in der DDR, in denen die Staatssicherheit nicht vorkommt. „Das sehe ich kritisch“, erklärt Kötzing. Die meisten Menschen in der DDR seien nicht oppositionell gewesen, hätten auch nicht ständig über eine Flucht in den Westen nachgedacht oder unmittelbar mit der Stasi zu tun. Der Historiker meint: „Auch ihre Geschichten sind erzählenswert, tauchen in Filmen aber kaum auf.“
Veranstaltung: Donnerstag, 28. März 2019, 16.30 Uhr Archivführung; 18 Uhr Vortrag und Gespräch Ort: BStU-Außenstelle Dresden, Riesaer Straße 7 (Seiteneingang C), 01129 Dresden, der Eintritt ist frei.
Von Ingolf Pleil