Warum es im Stadtrat Dresden Zoff um Baumschutz gibt

Wenn Veit Böhm an der Elbe entlang radelt, so erzählt der CDU-Stadtrat, fallen ihm derzeit so viele abgesägte Bäume auf, wie lange nicht. Offenbar würden Eigentümer vor dem Hintergrund der Diskussion über die Baumschutzsatzung in Dresden „schon vorsorglich“ zur Säge greifen. Dennoch wollen die Christdemokraten nun noch längere Zeit einen Schwebezustand aufrecht erhalten, bei dem viele Bäume ungeschützt bleiben. Ausgangspunkt sind die Pläne der Regierungskoalition von CDU, Grünen und SPD in Sachsen, heute im Landtag den Kommunen wieder größere Möglichkeiten zur Regelung des Baumschutzes einzuräumen. Vor zehn Jahren hatten CDU und FDP diese Rechte eingeschränkt. Seither konnten Bäume mit einem Stammumfang von bis zu einem Meter (auf Stammhöhe von einem Meter gemessen) sowie Obstbäume, Nadelgehölze, Pappeln, Birken, Baumweiden und abgestorbene Bäume auf bebauten Grundstücken nicht mehr unter Schutz gestellt werden. Dresden setzte daraufhin die entsprechenden Passagen in seiner Baumschutzsatzung für diese Baumarten aus. Das Landesparlament will die Einschränkung heute aufheben. CDU schlägt Arbeitsgruppe vor: Praktisch gleichzeitig legt die CDU im Stadtrat einen Antrag vor, mit dem eine Novelle der Baumschutzsatzung auf den Weg gebracht werden soll. „Es gab ja vor zehn Jahren einen Veränderungsdruck“, erklärt Umweltpolitiker Böhm. Mittlerweile sei deutlich geworden, dass die „damalige Liberalisierung dem Umgang mit den Bäumen nicht nur dienlich war.“ Deshalb sollte nun eine Arbeitsgruppe einberufen werden, die sich mit der Überarbeitung der Satzung befasst. Im Gremium sollen neben Stadträten aller Fraktionen unter anderem Vertreter aus dem Umweltamt, dem Amt für Stadtgrün und dem Amt für Kultur- und Denkmalschutz genauso sitzen, wie Vertreter der Dresdner Gartenfreunde, des Naturschutzverbandes BUND, der Verbände für Wohneigentümer und Grundstücksbesitzer sowie von Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsunternehmen wie der Vonovia. Die CDU hält die Zusammensetzung für ausgewogen, sei aber offen für weitere Vorschläge, erklärt Böhm. Es gehe um ein kompliziertes Thema und einen offenen Diskussionsprozess. Die Baumschutzsatzung sollte dem Streben der Stadt nach einer positiven Entwicklung des Stadtgrüns und der Eigenverantwortung der Eigentümer gerecht werden. „Druck auf die Verwaltung“: So lange wie diskutiert wird, soll die bestehende Satzung jedoch „außer Vollzug gesetzt“ werden. Böhm sieht darin keinen Konflikt mit seien Beobachtungen beim Radeln. „Das soll eher ein Ansporn für die Verwaltung sein, zeitnah in die Diskussion einzutreten und einen Kompromiss zu suchen“, meint Böhm. Er will der Debatte nicht vorgreifen, hält aber die unterschiedliche Behandlung von Baumarten genauso für denkbar wie einen Schutzstatus in Abhängigkeit vom jeweiligen Stadtgebiet. Die Gleichzeitigkeit zum absehbaren Gesetzbeschluss heute im Landtag sei nicht beabsichtigt gewesen. Coronabedingt habe das Thema nach dem Koalitionsbeschluss von Ende 2019 zuletzt nicht im Vordergrund gestanden, erläutert Böhm, warum nicht längst über eine Novellierung debattiert wurde. Bei den Grünen sorgen die CDU-Pläne zur Aussetzung der Satzung für Empörung. „Das geht überhaupt nicht“, erklärt Stadtrat Wolfgang Deppe. Der Umweltpolitiker kann sich zwar vorstellen, dass es Überarbeitungsbedarf für die Satzung geben könne. Die Debatte in der Arbeitsgruppe dürfte sich aber mindestens eineinhalb bis zwei Jahre hinziehen. Bis dahin den Gehölzschutz auszusetzen, sei nicht tragbar. Zumal die CDU-Pläne auch Bäume gefährden würden, die von der Gesetzesänderung des Landes gar nicht betroffen sind, sondern auch jetzt unter Schutz stehen wie beispielsweise Eiben. Nach Deppes Eindruck schlägt die CDU ein Gremium vor, dass sich vorrangig aus Vertretern der größten Kritiker zusammensetze, die vor allem bei den Eigentümerverbänden anzusiedeln sind. Deppe verweist unter anderem auf die Bedeutung alter Baumbestände für Insekten und Vögel, deren Zahlen bereits deutlich zurückgehen würden. Grüne wollen gegen Kahlschlag kämpfen: Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) will nach dem Gesetzesbeschluss im Landtag die ausgesetzten Passagen der Baumschutzsatzung wieder in Kraft setzen. Dabei muss es aus Deppes Sicht bleiben: „Die Satzung darf nicht ausgesetzt werden, dagegen werden wir uns mit allen Mitteln wehren.“ Dem Versuch der CDU, dem Abholzen wertvoller Altbäume weiterhin Tür und Tor offenzuhalten, würden die Grünen entgegentreten. Es könne als erwiesen gelten, dass dies nach der Gesetzesänderung 2010 passiert ist. In Zeiten zunehmender Sommerhitze und Trockenheit würde jeder Baum gebraucht zur Verbesserung des Stadtklimas und zum Erhalt der Vielfalt der Tierwelt. „Gerade Altbäume mit großen Baumkronen sind dabei besonders wichtig und dürfen nicht den Interessen von Bauwirtschaft und Grundbesitzern geopfert werden.“ Man könne über eine Novellierung der Gehölzschutzsatzung reden, aber „nicht mit einem vorangehenden rechtlichen Kahlschlag, der interessierten Kreisen noch einmal die Gelegenheit zu einem tatsächlichen Kahlschlag“ gibt. Von Ingolf Pleil