Vor der Bauerndemo in Dresden: Ein Gespräch mit Landwirt Marc Bernhardt

Wenn am Donnerstag wieder Hunderte Landwirte aus ganz Sachsen mit ihren Traktoren in die Landeshauptstadt zuckeln, dann ist auch der Freitaler Landwirt Marc Bernhardt mit von der Partie. Es ist die dritte Demo in Folge, die der erst Ende des vergangenen Jahres in Callenberg gegründete Verein „Land schafft Verbindung Sachsen e.V.“ initiiert hat, diesmal auch mit Hilfe des Sächsischen Bauernverbandes. „Wir erwarten bis zu 1000 Landwirte mit ihren Traktoren sowie weitere 2000 Unterstützer“, kündigt Bernhardt an. Ziel sei es, dass die zu novellierende Düngeverordnung am 3. April im Bundesrat abgelehnt oder wenigstens von der Tagesordnung genommen wird. Am Donnerstag kommt der sächsische Agrarausschuss vorerst zu einer Anhörung zusammen. Was es damit auf sich hat und was den massenhaften Unmut der Bauern heraufbeschworen hat, dazu sprechen wir mit dem Milchbauern Bernhardt, der im Verein mit für die Medienarbeit zuständig ist. Frage: Warum gehen die Bauern eigentlich auf die Straße? Marc Bernhardt: Anlass ist die heutige Tagung des Agrarausschusses des Landtages, bei der eine Entscheidung Sachsens zur Novellierung der Düngeverordnung erwartet wird. Auf Grundlage dieser Entscheidungsfindung werden die sächsischen Delegierten dann am 3. April im Bundesrat abstimmen. Durch die Novelle befürchten wir Humusabbau, die Freisetzung enormer Mengen von CO2, ein katastrophales Höfesterben, weniger Ertrag, mehr Import und außerhalb Europas enorme Brandrodungen, um Mindererträge auszugleichen. Es ist mir noch einmal wichtig zu betonen, dass wir nicht prinzipiell gegen die Düngeverordnung sind, 2017 gab es ja erst eine. Wir demonstrieren lediglich für eine fachlich fundierte Basis. Auch laden wir explizit die Verbraucher zu unvoreingenommen Gesprächen mit den Landwirten ein. „Momentan alles pauschal auf die Landwirtschaft abgeschoben“: Was hat es mit der Düngeverordnung auf sich? Als belastet gilt Grundwasser, wenn es über 50 Milligramm Nitrat pro Liter aufweist. Nun hat ein Monitoring ergeben, das etwa 25 Prozent der Grundwasser nicht den geforderten Anforderungen entsprechen. So darf beispielsweise im Herbst nicht mehr gedüngt werden. In rot ausgewiesenen und damit besonders Nitratbelasteten Gebieten wird eine Unterdüngung gefordert – das heißt, dem Boden werden 20 Prozent weniger Stickstoff zugeführt. Marc Bernhardt ist Agrarwirt und betreibt in Freital-Somsdorf in sechster Generation einen Familienbetrieb. Er ist der letzte von ehemals zehn Milchbauern in Freital. Neben seinem 230 Köpfe zählenden Milchvieh bewirtschaftet er 100 Hektar Land und die Freitaler Milchtankstelle. Welche Position bezieht ihr Verein? Wir wollen sicherstellen, dass alles, was auf die Landwirte zukommt, auf einem soliden fachlichen Fundament ruht, es speziell bei der Nitratbelastung EU-weit einheitliche Messverfahren gibt und das Verursacherprinzip transparent wird. Momentan wird pauschal alles auf die Landwirtschaft abgeschoben und nicht nur das: Mit den angedrohten Strafzahlungen aus Brüssel, die Rede ist von 850 000 Euro täglich, wird auf Kosten der Landwirtschaft erheblicher politischer Druck erzeugt. „Unser Fazit: Viele sind untauglich“: Worin sehen Sie die Schwachstellen im System? Und was ist so schlecht an einer Nitratbegrenzung? Es gibt beispielsweise nur 37 Messstellen in Sachsen, auf den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge bezogen ist es gerade mal eine. Wir haben uns als Verein mal die Mühe gemacht und uns etliche Messstellen angesehen. Unser Fazit: Viele sind untauglich. Darüber hinaus gibt es eine enorme Intransparenz. Keiner weiß, wer was gemacht hat und das schadet nicht nur den Landwirten sondern der Umwelt allgemein. So plant die Regierung, dass in dem Umkreis einer Messstelle, wo ein erhöhter Wert festgestellt wurde, 20 Prozent weniger Stickstoff in den Boden gebracht werden darf. Um ein Beispiel zu nennen: Viele Messstellen liegen in Tallagen. Wenn also ein Landwirt auf einem angrenzenden Berg das Feld bewirtschaftet und zu viel Stickstoffdünger rausfährt, wird der nicht verantwortlich gemacht. Stattdessen gerät der Bauer ins Visier, der im Tal wirtschaftet. Das kann nicht sein. An sich sind Nitratgrenzwerte völlig in Ordnung, aber nicht, wenn sie auf fragwürdigen Messdaten beruhen. So gibt es keine einheitlichen Richtlinien für diesbezügliche Datenerhebungen. Deutschland hat beispielsweise als einziges Land lediglich rund 700 Messwerte – und da auch nur negative – nach Brüssel geliefert. Das ist nicht repräsentativ. Warum müssen überhaupt Nitrate auf die Felder gebracht werden. Geht es nicht auch ohne? Gülle, die als Endprodukt der Tierhaltung auf die Felder zurück in den natürlichen Kreislauf gebracht wird, ist ein wichtiger und vielseitiger Naturdünger. Dank direkter Ausbringung in den Wurzelbereich geschieht das mit minimalen Emissionen. Die von der Regierung geforderte Unterdüngung würde beispielsweise zu einem langfristigen Humusabbau führen, was wiederum Auswirkungen auf den CO2-Haushalt hat, denn Humus speichert Kohlendioxid. Sachsen soll Düngeverordnung ablehnen: Was wollen die Landwirte mit ihren aktuellen Protesten erreichen? Wir wollen erreichen, dass Sachsen aufgrund der genannten massiven Unzulänglichkeiten und der fehlerhaften Datengrundlage die Düngeverordnung am 3. April ablehnt oder wenigstens eine Absetzung von der Tagesordnung bewirkt, damit weitere wichtige Details bearbeiten werden können. Wo in Sachsen ist die Nitratbelastung der Böden am größten? Nach dem Monitoring im Bereich Riesa, Großenhain, Meißen, Limbach-Oberfrohna, Grimma, Eilenburg, Torgau. Im Freitaler Raum, in Dresden und Pirna liegt die Belastung unter 25 Milligramm pro Liter beziehungsweise bis 50 Milligramm. Die Nitratbelastung in den genannten Gebieten ist aber lediglich das Resultat der aktuellen Datengrundlage, welche wie bereits erwähnt nicht aussagekräftig und flächendeckend ist, um so viel Fläche dafür auszuweisen. zwischen 7 und 16 Uhr: Vollsperrung ab Carolabrücke bis Marienbrücke 8 Uhr: Veranstaltungsbeginn am Bernhard von Lindenau-Platz vor dem Landtag 10 Uhr: Beginn der Ausschusssitzung mit öffentlicher Übertragung, Versorgung mit Bratwürsten von regionalen Biobauern 12 bis 15 Uhr Bühnenprogramm: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wird ebenso sprechen wie der Landwirtschaftsminister Wolfram Günther, Fraktionsvertreter und Landwirte. Lesen Sie auch: Die Trecker kommen: Straßensperrungen in Dresdens Innenstadt wegen Bauerndemo So war die Traktoren-Demo am 17. Januar in Dresden Landwirtschaftsminister Günther (Grüne): „Am Ende zahlt der Verbraucher“ Von Kerstin Ardelt-Klügel

Bauerndemo in Dresden - „Die Messwerte sind fragwürdig“: Ein Gespräch mit Landwirt Marc Bernhardt