Verkehrsverbund schreibt Netz der früheren Städtebahn neu aus

Plötzlich standen alle Züge still: Von einem Tag auf den anderen hatte die insolvente Städtebahn Sachsen (SBS) im vergangenen Sommer ihren Betrieb in und um Dresden eingestellt. Tausende Pendler blieben buchstäblich auf der Strecke. Nun hat der Verkehrsverbund Oberelbe für die Bahnstrecken nach Königsbrück und Kamenz, von Heidenau nach Altenberg sowie von Pirna nach Sebnitz eine neue Ausschreibung gestartet – um die Verkehrsleistungen ab Ende 2021 bis 2031 neu zu vergeben. Nach der Notvergabe im Spätsommer an die Mitteldeutsche Regiobahn gibt es zwar erst einmal wieder einen Betreiber für das Netz. Eine Lösung für längere Zeit ist das allerdings nicht. „Das Vergaberecht erlaubt bei einer Notvergabe lediglich einen kurzen Vertragszeitraum“, erklärt VVO-Geschäftsführer Burkhard Ehlen. Deshalb wurde nun die neue Ausschreibung gestartet, die immerhin ein jährliches Volumen der Verkehrsleistungen von 1,8 Millionen Zugkilometern vorsieht. Seit vergangener Woche können interessierte Bahnunternehmen die Ausschreibungsunterlagen abrufen und sich bewerben. Verbesserungen des Angebots zwischen Dresden und der Westlausitz: Eine Entscheidung über die Neuvergabe will die Verbandsversammlung (ein Treffen von Vertretern der am VVO beteiligten Kommunen) bereits diesen Sommer treffen. Der Gewinner der Ausschreibung hätte somit 18 Monate Zeit, um sich für die Übernahme der vier Bahnstrecken vorzubereiten. Zugleich möchte der Verband mit der Neuvergabe auch Klarheit über mögliche Verbesserungen des Angebots zwischen Dresden und der Westlausitz schaffen. Denn zum einen sieht der neue Vertrag eine Taktverdichtung auf der Strecke nach Kamenz vor. Zum anderen ist aber auch eine Verbesserung des Angebotes bis Ottendorf-Okrilla angedacht. „Beide Optionen sind davon abhängig, ob wir sie finanzieren können“, sagt Burkhard Ehlen. Konkret geht es bei diesen Verbesserungen um 500 000 Zugkilometer im Jahr. Aktuell könnte der VVO das mit seinen Mitteln nicht stemmen. Allerdings schielen die Verantwortlichen bereits auf die mit dem Kohleausstieg in Aussicht gestellten Millionen sowie die angekündigte Erhöhung der Regionalisierungsmittel – also dem Geld, was der Bund den Ländern zur Verfügung stellt, um den Nahverkehr auf den Gleisen zu finanzieren. Paket könnte noch deutlich dicker werden: Möglicherweise handelt es sich um die letzte Ausschreibung, bei der der Verbund auf die Dieseltriebwagen mit der klassischen Antriebstechnik setzt. „Während der Laufzeit des Vertrages werden wir eine Entscheidung über die zukünftige Antriebstechnologie treffen“, kündigt der VVO-Geschäftsführer an. Derzeit untersuche der VVO sowohl den Einsatz von Batterie- als auch von Wasserstoffzügen und beobachte Erfahrungen in anderen Verbünden. Angesichts der Laufzeit des neuen Vertrags über zehn Jahre sei genügend Zeit eingeplant, um an den Strecken nötige Infrastruktur nachzurüsten. Zugleich könnte das Paket, dass der Verkehrsverbund dann ausschreibt, noch deutlich dicker werden. Denn bisher werden in Ostsachsen die Nebenstrecken in und um Dresden sowie die Verbindungen nach Görlitz und Zittau sowie einige Nebenstrecken in der Oberlausitz getrennt vergeben. „Wir sehen die Chance, beide Netze zusammenzufassen, da sie sich gut ergänzen“, sagt Burkhard Ehlen. Elektrifizierung der Bahnstrecke in Richtung Neiße bis 2031 machbar? Der VVO-Chef verweist dabei auch auf die geplante Elektrifizierung der Bahnstrecke von Dresden nach Görlitz. Auch in diesem Netz würden dann neue Triebwagen benötigt. Zudem stelle sich die Frage nach Antriebsalternativen für dort nicht elektrifizierte Teilstrecken. Fraglich ist allerdings, ob die Elektrifizierung der Bahnstrecke in Richtung Neiße bis 2031 überhaupt machbar ist. Nach x-fachen Anläufen und stetigem Scheitern beim Bund hofft Sachsen, das Vorhaben nun ebenfalls mit den Kohlemillionen vorantreiben zu können. Fachleute rechnen damit, dass die Umsetzung jedoch mindestens zehn Jahre dauern wird – sofern nicht noch mehr Zeit verloren geht. Immerhin sind die Vorplanungen, die der Freistaat trotz ausstehender Zusagen vom Bund schon vor Jahren auf eigene Rechnung angeschoben hatte, inzwischen so gut wie in Sack und Tüten. „Das mit der Erstellung der Vorplanung beauftragte Büro hat seine planerischen Leistungen weitestgehend abgeschlossen“, erklärt Kathleen Brühl vom sächsischen Verkehrsministerium auf DNN-Anfrage. Schaffung eines einheitlichen Fahrzeugbestands auf dem Prüfstand: Neben der Elektrifizierung der Bahnstrecke von Dresden nach Görlitz wurde dabei auch das Ziehen eines Fahrdrahts auf der Nebenstrecke zwischen Arnsdorf und Kamenz mit untersucht. Sollte das Vorhaben also tatsächlich in die Tat umgesetzt werden, müssten dann auch für diese Strecke Züge mit einem entsprechenden Antrieb beschafft werden. Ohnehin gleicht der Blick in das Jahr 2030 und darüber hinaus dem in eine Glaskugel. So sind im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung verschiedene Vorhaben im Nahverkehr vereinbart – darunter die Schaffung der nicht unumstrittenen Landesverkehrsgesellschaft als federführende Einrichtung für die Planungen des Schienenpersonennahverkehrs. Wie diese Gesellschaft konkret aussieht und welche Rolle dann noch die Verbünde im Detail spielen, ist aber völlig offen. Geprüft werden soll laut der Vereinbarung unter anderem auch die Schaffung eines landesweit einheitlichen Fahrzeugbestands. Von Sebastian Kositz

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