So steht der Oberbürgermeister zur Menschenkette

Die SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Dana Frohwieser, hat im DNN-Interview eine neue Gedenk- und Erinnerungskultur für Dresden gefordert hat. Jetzt äußert sich Oberbürgermeister Dirk Hilbert dazu, wie es mit den Veranstaltungen am 13. Februar weitergehen sollte. Frage: Hat sich die Menschenkette tatsächlich überholt? Dirk Hilbert: Ein klares Nein! Die Menschenkette ist ein sehr vielfältiges Symbol und bei weitem nicht ausschließlich auf das Erinnern am 13. Februar reduziert. Hier kommen jedes Jahr über 10 000 Dresdner zusammen, gerade viele jüngere Menschen und Familien, um ein Statement für ein friedliches Dresden abzugeben und zu zeigen, dass wir eine nationalistische Instrumentalisierung der Opfer des 13. Februar auch in Zukunft nicht dulden werden. Hier ist von einer angeblich gespaltenen Stadtgesellschaft nichts zu spüren. Die Menschenkette am 13. Februar 2019 Auch in der AG 13. Februar diskutieren wir immer wieder, ob die Menschenkette noch zeitgemäß ist und die einhellige Antwort lautet immer wieder: Ja, als zentraler Anker an diesem Tag funktioniert die Menschenkette auch nach zehn Jahren. Stimmt der Vorwurf, dass die Gedenkkultur zu sehr auf die Zerstörung Dresdens 1945 fokussiert ist? Das Gedenken an den 13. Februar ist einem ständigen Wandel unterworfen. Und eigentlich hatten wir die Zeit schon überwunden, wo man sich über die Öffentlichkeit sagt, was das richtige Gedenken ist und sein sollte. Ich finde auch, es ist gegenüber den vielen engagierten Gruppen und Vereinen sehr ungerecht, zu behaupten, es handele sich bei der Dresdner Gedenkkultur um eine Selbstbespiegelung. Die Busse auf dem Neumarkt sind genauso ein Gegenbeweis wie die Arbeit auf dem Heidefriedhof. Es gibt Zeitzeugentreffen mit Teilnehmern aus der ganzen Welt. Mit dem Stadtschülerrat veranstalten wir seit einigen Jahren eine Konferenz, die ausgehend von unserer Geschichte die Fragen von Frieden und Gerechtigkeit weltweit behandelt. Und diese Aufzählung könnte ich lange fortsetzen. Wichtig ist, dass die gesellschaftlichen Akteure nicht übereinander, sondern miteinander sprechen. Die AG 13. Februar schafft dafür die Plattform. Erst am Dienstag hatten wir Sitzung und über den 75. Jahrestag debattiert – leider fehlte die SPD. Andere Städte gedenken in viel kleinerem Rahmen an ihre eigene Zerstörung und das auch nicht jedes Jahr. Wäre es nicht eine Überlegung wert, auch in Dresden die Intensität der Gedenkkultur herunter zu fahren? Die Zerstörung Dresdens hat immer eine Sonderrolle in der Nachkriegsgeschichte gespielt, sowohl für viele Menschen in Deutschland wie auch für die Gesellschaftswissenschaften und Politik. Es wäre für die weltweite Öffentlichkeit sehr irritierend, wenn beispielsweise Hiroshima seine Gedenkkultur an den ersten Abwurf einer Atombombe beendet. Viele Menschen weltweit würden bei Dresden genauso empfinden und das sind beileibe nicht alles ewig gestrige Nationalisten. Das wichtigste ist, dass wir den 13. Februar nicht als solitäres Ereignis betrachten. Ich habe persönlich immer dafür eingestanden, dass die Opfer des Nationalsozialismus und die Opfer des deutschen Angriffskrieges Teil unseres Erinnerns sind. 2020 jährt sich der 13. Februar zum 75. Mal, aber was noch wichtiger ist: Auch die Befreiung von Auschwitz und die Kapitulation am 8. Mai. Deshalb umfassen ja unsere Veranstaltungsformate genau diesen Zeitraum und spannen damit einen Bogen, der weit über den 13. Februar hinausgeht. Ich spreche gerade mit den politischen Stiftungen über eine Konferenz im nächsten Jahr, bei der weltweite Konflikte – vergangene wie aktuelle – in einem Kontext mit unseren Erfahrungen behandelt werden. Über Parteigrenzen hinweg eine solche Weitung unseres Blickwinkels zu erreichen, wäre ein wegweisender Schritt in der gesellschaftlichen Debatte und der politischen Bildung. Von Thomas Baumann-Hartwig

Gedenken in Dresden - So steht der Oberbürgermeister zur Menschenkette