Der Hundekotbeutel wird achtlos auf das Grundstück der Nachbarin geworfen, da mal wieder keine Mülltonne in Reichweite ist. Und das, obwohl diese gerade dabei war, ihren Garten zu pflegen. Nun schnell weg, bevor der Schandfleck zwischen den Tulpen auffällt. Aber zu spät: Voller Wut wirft sie die Plastiktüte zurück auf die Straße, direkt vor die Füße des Übeltäters...
Mit dieser Anekdote leiten die Theaterpädagogen Dirk Strobel und Walter Henckel ihr Hörspiel „Lichtmacher und Phasenprüfer“ ein. Was zunächst komödiantisch anmuten mag, befasst sich mit einem wichtigen Thema: Dem Miteinander unter Nachbarn.
Eine Erzählung über fehlende Kommunikation
Die Geschichte erzählt vom Elektriker Norbert Frisch und vom pensionierten Lehrer Heinrich Lehrer, beide fiktive Bewohner des Stadtbezirks Pieschen. Bei einem gemeinsamen Arbeitseinsatz kommen sie ins Gespräch über ihre Erlebnisse beim „Theater der Nachbarschaft“ – einer Theatergruppe, deren Ziel es ist, die Bewohner Pieschens zusammenbringen.
Doch das Projekt scheiterte daran, dass sich zu wenig Mitstreiter finden. Herr Frisch und Herr Lehrer machen sich daher auf, die zwischenmenschlichen Verhältnisse ihres Umfeldes zu ergründen: In lustig-lockerer Dialogform kritisieren sie und diskutieren über fehlende Kommunikation, Konflikte und Vorurteile in ihrer Nachbarschaft.
Basierend auf wahren Begebenheiten
Das knapp einstündige Gespräch basiert auf den Erlebnissen der Theaterpädagogen Dirk Strobel und Walter Henckel. Sie selbst hatten ursprünglich die Idee, ein Nachbarschaftstheater in Pieschen zu gründen, in dem Leute verschiedener sozialer und kultureller Hintergründe aufeinandertreffen, um sich beim gemeinsamen Spielen kennenzulernen.
„Pieschen hat einen ständigen Durchlauf an Menschen. Es passiert viel, aber trotzdem reden die Leute nicht miteinander“, erzählt Dirk Strobel. Er ist der künstlerische Leiter des Projekts, lebt und arbeitet selbst in Pieschen.
Ziel des Theaters sei es, Missverständnisse und Vorurteile abzuschaffen, statt einem Nebeneinander das Miteinander zu stärken. Für ihr Konzept erhielten die beiden eine Förderung vom Europäischen Sozialfonds (ESF). „Bis jetzt ist aber keine richtige Gruppe zustande gekommen“, bedauert Strobel.
Um ihr Anliegen dennoch an die Öffentlichkeit zu bringen, entwickelten sie das Theaterstück „Lichtmacher und Phasenprüfer“. Die erhoffte Resonanz blieb jedoch aus: „Anscheinend fällt es den Leuten schwer, sich auf den Weg zu uns zu machen“, vermutet Strobel.
Theater wird hörbar
Dennoch gaben die beiden nicht auf. In Zusammenarbeit mit einem Projekt von Coloradio, das Arbeitslose und Zugezogene an moderne Radiotechnik heranführen soll, produzierten sie „Lichtmacher und Phasenprüfer“ als Hörspiel.
Theater wird hörbar – das war ein großer Schritt für das Projekt des Nachbarschaftstheaters: „Ein Hörspiel ist ein ganz anderes Medium. Bei den Aufnahmen mussten wir darauf achten, dass vieles, was wir sonst spielten, nicht nur sehbar, sondern auch hörbar sein musste“, erinnert sich Walter Henckel. So wurden bestimmte Metaphern und Geschichten für das Radio umgeschrieben: Ein Sinnbild über das Leuchten von Glühlampen verwandelte sich so in eines über das Zusammenspiel von Tönen, das letztendlich Musik ergab.
Live ist jede Regung zu hören
Der Charakter eines live aufgeführten Stücks blieb dem Hörspiel dabei erhalten. „In einer besonderen Live-Atmosphäre ist jede Regung zu hören“, erzählt Martin Schroeder, Radioredakteur von Coloradio. Neben Strobel und Henckel hatten auch zwei ehemalige Teilnehmerinnen der Theatergruppe Sprechrollen.
Premiere feierte das Hörspiel am 24. August. Auf der Internetseite von Coloradio ist das Werk immer noch zu hören. „Endlich gibt es ein Hörspiel über Pieschen und die Pieschener, ein richtiges Stadtteil-Hörstück, das sicher seinesgleichen sucht“, sagt Martin Schroeder stolz.
Das Radiotechnik-Projekt von Coloradio ist immer noch offen für weitere Mitstreiter. Und auch das Nachbarschafts-Theater existiert noch. Einmal im Monat treffen sich die Theaterpädagogen Strobel und Henckel in kleiner Runde, um mit anderen Pieschenern ein Forumtheater zu spielen. Interessierte können sich unter der Telefonnummer 32 01 02 81 anmelden.
Von Lisa Rank