Dresdner Klinikchef fordert bei Lockdown auch Schließung von Schulen und Kitas

Bei mehr als 1300 mit Corona-Patienten belegten Klinikbetten kommt in Sachsen der Lockdown zurück. Um diese Grenze gibt es viel Diskussionen. Die Virologie-Professorin Melanie Brinkmann vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung bezeichnete die angestrebte Vermeidung überlasteter Intensivstationen zuletzt als „ziemlich bescheuertes Ziel“. Sie ist eine Verfechterin der „No-Covid“-Strategie mit viel gravierenderen Eindämmungsschritten. Nach ihrer Ansicht werden bislang noch viel zu viele Tote in Kauf genommen. In Sachsen wird die Bettenbelegung als Instrument betrachtet, um ohne alleinige Orientierung auf starre Inzidenzwerte für Neuinfektionen eine Balance zwischen Einschränkungen und Lockerungen zu finden. Nach den Angaben des medizinischen Vorstands der Dresdner Uniklinik, Prof. Michael Albrecht, kommen fünf Prozent aller Infizierten ins Krankenhaus und von diesen bekommen 20 Prozent einen schweren oder sehr schweren Verlauf mit Betreuung auf einer Intensivstation. Albrecht erläuterte auf DNN-Anfrage den Sinn der Bettenzahl-Grenze und welche Konsequenzen ein neuer Lockdown für Schulen und Kitas haben müsste. „Bei 1300 Betten geht Ampel auf rot“: Nach Albrechts Ansicht ist die Lage auf den Normalstationen der Krankenhäuser „ein Gradmesser für die künftige Auslastung der Intensivstationen“. Dabei gebe die Grenze von 1300 Betten „erstmals die Möglichkeit, die Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie an der Auslastung der Kliniken auszurichten“. Die Zahl von 1300 komme dabei nicht zufällig zustande. „Sie basiert auf unseren Erfahrungen sowie unserem Vorhersagetool Dispense.“ Die Inzidenzen blieben dabei nicht unberücksichtigt: „Wir wissen, dass mit steigenden Inzidenzen die Zahl der Patienten in den Kliniken in gewissem Zeitabstand steigt.“ Im Dezember habe es knapp 3600 Corona-Patienten in den sächsischen Kliniken gegeben, die dadurch teils überlastet gewesen seien. Damals mussten Patienten aus Sachsen in andere Bundesländer gebracht werden. „1300 ist nun der Grenzwert, bei dem die Ampel von gelb auf rot springt, dann müssen wir handeln.“ Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) sprach kürzlich von einem „Geburtsfehler“ der neuen Coronaschutzverordnung. Die kommunale Seite hätte 500 Betten jeweils in den Regionen Dresden und Chemnitz sowie 300 Betten in der Region Leipzig als Obergrenze angeregt, sich damit aber nicht durchgesetzt bei der Staatsregierung. Albrecht froh über Entscheidung der Politik: „Wenn diese Grenze erreicht ist, sehen wir ein Signal dafür, dass wir den Lockdown verschärfen müssen“, erläutert Albrecht. Dem sei die Politik gefolgt. „Darüber sind wir froh.“ Eine Verschärfung könne durchaus auch regional passieren. „Allerdings muss man immer die Akzeptanz für Regeln im Blick haben, die durchaus höher ist, wenn gewisse Regeln für alle gelten.“ Für eine überregionale Bewertung spreche zudem, dass „wir in Sachsen ein gutes Verteilsystem etabliert und Patienten auch in der Vergangenheit über die Grenzen der Cluster hinweg sachsenweit verteilt haben“, erläuterte Albrecht die Hintergründe für den landesweiten Wert. Sollte dieser erreicht sein, müssten konsequente Schritte eingeleitet werden. „Dann sollte so früh und so hart wie möglich reagiert werden – das heißt ein richtiger Lockdown, ohne Ausnahmen. Also: Maximale Einschränkung der Kontakte 14 Tage lang inklusive Ausgangssperren, geschlossenen Schulen und Kitas.“ Bislang ist diese Konsequenz in der Corona-Schutzverordnung nicht verankert. Zurückhaltung gegenüber Lockerungen mit Testpflichten: Albrecht äußerte sich auch zurückhaltend zu Modellprojekten und inzidenzunabhängigen Lockerungen, die mit Testpflichten gekoppelt sind. Teilweise genügen dafür auch Selbsttests. Albrecht: „Das funktioniert nur, wenn es genügend Tests gibt, die korrekt angewendet werden.“ Der Klinik-Vorstand bezeichnete Prognosen darüber, wann die Bettenauslastung die kritische Grenze überschreiten könnte, aktuell als „schwierig“, da über die Osterfeiertage einige der dafür notwendigen Daten nicht eingegangen seien. „Im Moment gehen wir vorsichtig optimistisch nicht davon aus, dass die Marke von 1300 belegten Betten in den kommenden zwei Wochen erreicht sein wird.“ Aus medizinischer Sicht hat Albrecht für das jetzige Handeln eine klare Empfehlung: „Impfen, impfen, impfen!“ Der Professor fügte hinzu: „Wir sprechen uns für eine Aufhebung der Priorisierung sowie einen unbürokratischen Zugang zum Impfangebot aus.“ Auch sollten die Krankenhäuser in die Impfstrategie einbezogen werden. Das Modellprojekt, das vor Ostern am Uniklinikum gestartet ist, sei ein erster Schritt in diese Richtung. Von Ingolf Pleil