Dresden: Wird der Grippeimpfstoff knapp?

Noch bevor parallel zur Coronawelle auch die Grippewelle anrollt, ist die Nachfrage nach der Influenzavorsorge groß. Die DNN erreichten erste Beschwerden von Lesern, die ohne Impfung weggeschickt wurden, weil der Hausarzt zunächst Risikogruppen immunisieren wollte. Ähnliche Meldungen gibt es zuhauf im Netz. Bundesweit beklagen sich enttäuschte Schutzwillige, weil der Serum-Vorrat in den Praxen nicht reicht. Menschen kommen früher zum Impfen als in den Vorjahren: Wird der Impfstoff nun auch in Sachsen knapp? Anfragen bei Arztpraxen und Apotheken in Dresden zeigen: Die Nachfrage ist groß, viele Menschen kommen früher als sonst. Die Impfvorräte müssen entsprechend rasch nachgefüllt werden. Der Dresdner Infektiologe Dr. Andreas Jenke bestätigt die große Nachfrage unter seinen Patienten, auch, dass das Interesse an der Impfung deutlich früher eingesetzt hat. „Wir haben ungefähr 50 Prozent mehr Impfstoff bestellt als in früheren Jahren und gehen davon aus, dass diese Menge ausreicht, um den Bedarf zu decken“, erklärt er auf DNN-Nachfrage. Bei anhaltender Nachfrage Engpässe nicht auszuschließen: „Sollte die hohe Nachfrage unvermindert anhalten, lassen sich Engpässe allerdings nicht mit Sicherheit ausschließen“, warnt Andreas Jenke. Der Infektiologe hält den November für den optimalen Zeitpunkt für eine Impfung: „Wir wissen, dass die Influenzaimpfung den besten Schutz in den ersten drei Monaten nach der Impfung bietet. Und in Deutschland treten saisonale Grippewellen meist im Winterhalbjahr von Ende Dezember bis April auf“, sagt er zur Begründung. Aber egal, wann und ob die Kasse die Impfung bezahle oder nicht, halte er eine Influenzaimpfung unabhängig vom Lebensalter für sinnvoll. Die Neuinfektionszahlen steigen in Dresden deutlich an. Die wichtigsten Texte und weitere Überblicksartikel: Aktuelle Texte Dresden ist jetzt Risikogebiet: Maske unter freiem Himmel, Sperrstunde für Gastronomie Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen und neue Corona-Regeln in Sachsen ab Montag Besuchsverbote in Dresdner Krankenhäusern: Was Angehörige und Patienten jetzt beachten müssen Corona-Quarantäne in Dresden: Was darf ich tun, was nicht? Corona-Test in Dresden: Wer darf, wer muss und wo kann ich mich testen lassen? Schnupfen, Husten, Fieber & Co.: Wann Sie und Ihre Kinder in Corona-Zeiten zu Hause bleiben sollten Der Gesamtüberblick Dresden und Sachsen: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Das DNN-Themenspecial zum Corona-Virus Ganz ähnlich sieht es in der Praxis von Dr. Annett Göhler aus. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Physikalische Therapie bestätigt ebenfalls einen zeitigeren Sturm auf die Grippeimpfung und eine anhaltende Nachfrage. Auch sie hat im Coronajahr damit gerechnet und vorsorglich mehr Impfdosen bestellt. Und auch sie empfiehlt aus ihrer langjährigen Praxis heraus eher einen etwas späteren Impftermin. „Patienten wegschicken“ komme aber für sie nicht infrage, erklärt die Medizinerin aus der Dresdner Neustadt. Apotheker: Wenn Engpässe, dann nur kurzzeitig: „Im Vergleich zu den Vorjahren empfinden wir die Nachfrage als sehr viel höher“, schätzt auch der Inhaber der Kronen-Apotheke, Rolf Leonhardt, ein. Die Hauptmenge an Impfstoff habe er bereits Ende April/Anfang Mai geordert, nun aber im September den Vorrat gleich nochmal aufgestockt. „Die Nachfrage aus den Praxen ist durchgängig hoch“, erklärte der Apotheker, „wir organisieren eine kontinuierliche Belieferung“. Er erwarte weitere Lieferungen durch den Großhandel bzw. die Hersteller. Wenn es hier zu unvorhergesehenen Verzögerungen käme, würde es möglicherweise kurzzeitige Engpässe geben. Doch Leonhardt sieht die Versorgung als gesichert an. Denn Gesundheitsminister Spahn habe ja zusätzliche Kontingente für den deutschen Markt gesichert. Auch andere Apotheker zeigten sich zuversichtlich, dass die 26 Millionen Impfdosen dieses Jahr für alle reichen werden. Friedemann Schmidt, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer sowie der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, findet es auf jeden Fall sinnvoll, sich auch noch im November und Dezember impfen zu lassen. „Die Grippewelle ist noch nicht gestartet“, sagt Schmidt. Viel zu früh, die Pferde scheu zu machen: Das sieht der Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, Erik Bodendieck, ähnlich. Der Freistaat stehe erst am Beginn der Grippeimpfsaison. Es sei noch zu früh, die Pferde scheu zu machen. Dietmar Beier, Vorsitzender der Sächsischen Impfkommission (SIKO), sieht keinen Grund zur Sorge: „Im vergangenen Jahr standen uns bundesweit 21 Millionen Impfdosen zur Verfügung, davon wurden sieben Millionen weggeschmissen“, sagt er und ist überzeugt: Es wird zu viel Panik gemacht. Beier hofft, dass sich dieses Jahr mehr Menschen gegen Grippe impfen lassen: „Ich wäre froh, wenn wir die vorhandenen 26 Millionen Impfdosen dieses Jahr verbrauchen“ , sagte er den DNN. Die Sächsische Impfkommission empfiehlt, dass sich vornehmlich Risikogruppen impfen lassen – also Menschen ab 60 Jahren, Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes, Schwangere und Bewohner in Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie medizinisches Personal. Kassenärzte: Genügend Impfstoff für Sachsen: Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS) ist man weit entfernt von jedweder Panik: Für die vier Millionen Einwohner in Sachsen seien genügend Impfdosen vorhanden, heißt es. Sprecherin Julia Leditzky erklärt: „Für den Freistaat sind laut aktuellem Stand 1,25 Millionen Grippeschutzdosen eingeplant. Es liegt nun an den niedergelassenen Ärzten, wie priorisiert werden kann, falls es wider Erwarten zu Engpässen kommt“. Die KVS empfiehlt die Grippeimpfung in diesem Jahr besonders. Denn: Eine Infektion mit dem Coronavirus und der Grippe zusammen wäre eine enorme Belastung für den Körper. Sorge beim Robert-Koch-Institut: Beim Robert-Koch-Institut macht man sich dennoch Sorgen um die Vorräte. Martin Terhardt, Mitglied der Ständigen Impfkommission, sieht die Gefahr, dass in diesem Winter zu wenig Grippeimpfstoff zur Verfügung stehen könnte. „Mein Wunsch wäre tatsächlich, dass man jetzt erst mal bis Mitte Dezember wirklich den Vorrang denjenigen gibt, die zu den Risikogruppen gehören“, sagte er dem Sender rbb. „Und wenn dann die Situation so ist, dass der Rest der Risikogruppe sich wirklich nicht impfen lassen möchte und es noch genug Impfstoff gibt, dann könnte man das von mir aus auch gerne freigeben.“ Lesen Sie auch Ärzte: Risikogruppen Vortritt lassen beim Impfen Spahn und RKI fordern zur Grippeimpfung auf Was bringt die Impfung? Von Barbara Stock, Kathleen Retzar und Lisa-Marie Leuteritz