Dresden-Prohlis: Rechte Drohungen gegen Gemeinschaftsgarten

Sattgelb blühen die Ringelblumen, daneben reifen in praller Sonne dicke, saftige Tomaten heran. Im Lavendelstrauch summt gut ein halbes Dutzend Hummeln. Minze, Zucchini und Kartoffeln zählt Heike Löffler auf und zeigt dabei stolz auf die vielen Beete im Gemeinschaftsgarten. Es ist ein kleines Paradies, das hier in Prohlis auf einer kleinen Scholle zwischen der Bundesstraße und den Plattenbauten entstanden ist. Doch die Idylle ist seit jeher getrübt. Denn regelmäßig ist der Gemeinschaftsgarten das Ziel rassistischer Bedrohungen und Anschläge. Vor reichlich drei Jahren wuchs auf dem etwas mehr als 1000 Quadratmeter großen Grundstück an der Georg-Palitzsch-Straße nichts weiter als schnöder Rasen. „Hier war praktisch nichts“, sagt Heike Löffler. Sie ist Sozialarbeiterin und hat in Prohlis zuvor schon einiges bewegt. Den Umsonstladen und die Bürgerwerkstatt hat sie mit initiiert, später die Idee für einen Gemeinschaftsgarten. Einer, in dem alle Prohliser mitmachen können, unabhängig von Alter, Herkunft, Religion oder ob mit oder ohne Behinderung. Im Mai 2017 fiel schließlich der Startschuss für das interkulturelle Gartenprojekt, das vom Verbund Sozialpädagogischer Projekte (VSP) getragen und inzwischen auch vom Freistaat gefördert wird. Mittlerweile auch kleine Veranstaltungen im Garten: „Das Interesse war von Anfang an sehr groß“, erklärt Heike Löffler. Zum Beginn waren es bereits 15 Interessenten, inzwischen sind es um die 80 Menschen, die hier gemeinsam gärtnern. Rentner und Kinder, Alteingesessene aus den umliegenden Neubauten, aber auch Geflüchtete, die jetzt nach Deutschland kamen. „Bei den älteren Menschen handelt es sich oft um alleinstehende Rentner, bei den jüngeren um Familien, die nach Deutschland geflohen sind“, sagt Heike Löffler. Die Idee trägt inzwischen reichlich Früchte – und das nicht nur im Wortsinn. Denn tatsächlich verbindet der Gemeinschaftsgarten längst viele Menschen im Stadtteil, ist es trotz mancher Sprachbarriere und einiger Kulturunterschiede ein sich bereicherndes Miteinander. Inzwischen gibt es im Garten sogar kleine Veranstaltungen. Erst am vergangenen Wochenende standen ein Konzert und ein Kasperletheater auf dem Programm. Für die Ferien sind Angebote für Kinder geplant. „Bei uns geht es mittlerweile so vielfältig zu, wie in den Beeten“, sagt Heike Löffler. Doch offenkundig ist das Projekt damit zu einer Zielscheibe für Rassisten und Islamfeinde geworden. Von Anfang an, so berichtet es Heike Löffler, habe es Drohungen und Anfeindungen gegeben – die jetzt allerdings eine ganz neue Dimension erreicht haben. Inzwischen ermittelt deshalb sogar der Staatsschutz. Erst vor wenigen Tagen hatte ein Kind einer dort aktiven Familie in der Nähe des Eingangstors im Garten eine Patrone gefunden, die schwarz, weiß und rot markiert war und eine Aufschrift enthielt. Schwarz, Weiß und Rot waren die Farben des Dritten Reichs, die Aufschrift legt nahe, dass die Patrone aus dem Online-Shop eines bekannten Thüringer Rechtsextremisten stammt, der regen Handel mit Kleidung und anderen Devotionalen der Naziszene betreibt. Neue Eskalationsstufe in Reihe von Bedrohungen und Anfeindungen: „Die Botschaft ist doch klar. Was für einen Zweck hat denn eine Patrone?“, fragt Heike Löffler, ohne die Antwort auch auszusprechen. Für sie und den VSP ist es eine neue Eskalationsstufe in einer Reihe von Bedrohungen und Anfeindungen, denen sich die Mitstreiter des Projekts bisher schon ausgesetzt sahen. Die Sozialpädagogin holt ein großes Motorradschloss hervor. „Vergangenes Jahr war damit unser Tor verriegelt worden, kurz vor Ostern, am Gründonnerstag.“ Sehr wahrscheinlich, so vermutet Heike Löffler, wollte jemand verhindern, dass die Gemeinschaft im Garten Ostern feiert. Schon alltäglich sind die beleidigenden und diffamierenden Aufkleber und Schmierereien am Eingangszaun. Hakenkreuze wurden dort schon eingeritzt, auf den Aufklebern war unter anderem der Slogan „Ausländer raus“ zu lesen. Immer wieder müssen die Gärtner nationalsozialistische und islamfeindliche Propaganda aufsammeln, die zumeist nachts über den Zaun geworfen wird. „Einmal haben wir eine Stahlgewitter-CD gefunden“, so Heike Löffler. Stahlgewitter ist eine der populärsten Bands in der rechtsextremen Szene in Deutschland. Kriminalpolizei nimmt Fall sehr ernst: Und es bleibt nicht nur bei Aufklebern und bloßer Hetze. Mehrfach waren die Außenschilder am Garten angekokelt – und in einem Fall sogar das grüne Pflanzenparadies verwüstet worden. Geräte gingen kaputt, Betonplatten zu Bruch. Dass es jetzt ausgerechnet das Kind einer geflüchteten Familie ist, dass die Patrone fand, schmerzt Heike Löffler zusätzlich: „Die Familie kommt aus einem Gebiet, wo Krieg herrscht. Diese Kinder wissen ganz genau, was das ist und es belastet sie.“ Viele der bisherigen Vorfälle haben die Gärtner gar nicht angezeigt. Den Fall jetzt schon. „Die Kriminalpolizei war da und ich habe den Eindruck, dass sie das sehr ernst nehmen“, sagt die Sozialarbeiterin. „Wir werden davon unbeirrt weiter unsere Arbeit machen“: Wer hinter den feigen Attacken steckt, muss die Polizei jetzt ermitteln. Direkte Anfeindungen von Angesicht zu Angesicht hat es bislang praktisch nicht gegeben. „Da fragt man sich wirklich, wer so viel Hass entwickelt und so viel Aufwand betreibt“, sagt Heike Löffler, die hier auch die immer unverhohlener vorgetragene rassistische Hetze bei Pegida und ähnlichen Veranstaltungen als eine Ursache sieht. „Natürlich sind auch die Menschen, die bei uns mitmachen, entsetzt“, erklärt Heike Löffler. Rassismus ist etwas, was viele von ihnen ohnehin im Alltag erfahren müssen. „Die Menschen verstehen gar nicht, was andere dagegen haben, dass wir gemeinsam gärtnern“, sagt Heike Löffler. Einschüchtern, das betont die Projektkoordinatorin, lassen sie und der VSP sich aber nicht. „Uns macht das natürlich große Sorge. Aber wir werden davon unbeirrt weiter unsere Arbeit machen.“ Von Sebastian Kositz