Coronakrise: Wie der Neustart an einer Dresdner Schule aussieht

Der Neustart im Bildungsbereich stellt die Schulen vor erhebliche Herausforderungen. „Der Druck ist enorm hoch“, erklärt der Schulleiter des Bertolt-Brecht-Gymnasiums in Dresden, Marcello Meschke, gegenüber DNN. Die Schulen in Sachsen sind zwar grundsätzlich bis 3. Mai noch geschlossen. Vom heutigen Montag an öffnen sie jedoch teilweise wieder im Zusammenhang mit den bevorstehenden Prüfungen. Dazu dürfen die Schüler der Abschlussklassen an Oberschulen, Gymnasien und Berufsschulen wieder in die Schulen kommen, die Abiturienten bereits von Montag an. Umfangreicher Hygienekatalog: Dafür hat das Kultusministerium unter Minister Christian Piwarz (CDU) einen umfangreichen Katalog an Hygienevorschriften erlassen. Mit Aushängen im Gebäude und elektronisch sollen die Schüler über alles informiert werden. Wenn sie am ersten Tag in die Schule kommen, werden die Schüler „aktenkundig“ über den Infektionsschutz informiert: Händehygiene, Abstand halten, Husten- und Niesetikette. Am Vortag von Konsultationen und Prüfungen müssen die Räume und Tische „professionell gereinigt“ werden. An zentralen Stellen im Schulgebäude muss Desinfektionsmittel bereitstehen. Aufsichten sollen sicherstellen, dass sich auf dem Schulgelände nur Jugendliche aufhalten, die an den Prüfungen beteiligt sind und die Hygienevorschriften eingehalten werden. Das tägliche DNN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Dresden täglich gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Gesundheitskontrolle am Eingang: Nur Schüler ohne Probleme mit den Atemwegen sollen die Schule betreten, auch das muss am Eingang kontrolliert werden. Kinder aus gesundheitlichen Risikogruppen sollen sich vorab bei der Schule telefonisch oder elektronisch anmelden. Nach dem Betreten der Schule sollen die Schüler umgehend die Hände waschen und desinfizieren. So setzt sich die Reihe der Vorgaben, die immer auch von Lehrern kontrolliert werden müssen, stetig fort: Ausreichend große Räume für genügend Abstand, ausreichend belüften, Türklinken möglichst nicht anfassen. Für die Toilettenbenutzung sind in den Schulen Laufwege so auszuweisen, dass sich Schüler nicht begegnen. Bei den Prüfungen sollen Aufsichtspersonen das überwachen. Abstand, Abstand, Abstand heißt es auch bei den praktischen Prüfungsaufgaben in den Naturwissenschaften und bei den Fremdsprachen. Soweit die Theorie. Prüfungsaufgaben und Schutzmaterial: In der Praxis steckt wie immer der Teufel im Detail, nicht zuletzt bei älteren Schulgebäuden. „Wie soll ich eine Erkältung feststellen“, fragt sich Schulleiter Meschke. Er kann jeden Schüler verstehen, der sich jetzt nicht durch einen Schnupfen von der Prüfung abhalten lassen will – zumal auch der Pollenflug auf Hochtouren läuft. Meschke muss nicht nur Prüfungsaufgaben abholen beim Landesamt für Schule und Bildung, sondern auch Schutzmaterial. „Es werden in Dresden an alle 63 staatliche Schulen, die Abgangsklassen haben, Schutzmaterialien verteilt“, erläuterte Petra Nikolov, Sprecherin der Dresdner Regionalstelle des Landesamtes für Schule und Bildung. 11 326 waschbare Masken und 3162 Flaschen Desinfektionsmittel verteilt das Amt. Auch da ist Abstandhalten das oberste Gebot. „Nur sehr wenige Schulleiterinnen und Schulleiter holen die Materialien in einem gestaffelten Zeitplan für eine Reihe der Nachbarschulen ab.“, beschreibt Nikolov das Vorgehen. Die Weiterverteilung erfolgt dann von diesem Schulstandort. Nikolov: „Für Handschuhe, Handtücher, Seife und andere Materialien ist das Schulverwaltungsamt verantwortlich.“ Einbahnstraßensystem in der Schule: Besonders viel ist in diesen Tagen gleichzeitig zu bewältigen, es gibt viele Anfragen, beschreibt Meschke die Situation an der Schule. In einem Brief an alle Schüler hat er sich deshalb gleich im ersten Satz für die „Widersprüchlichkeit aller Informationen sowie für die vielen Änderungen und Präzisierung“ entschuldigt, die es in den letzten Tagen gegeben habe. Da kann ein Schulleiter auch nicht anders agieren, als Behörden und Ministerien oder auch Medien. Dem Einbahnstraßensystem in Meschkes Schule waren dort Grenzen gesetzt, wo damit nicht mehr alle Räume erreichbar gewesen wären. Dabei kommt es bald auf jeden Raum an in seiner Schule, einem Bau aus DDR-Zeiten. 113 Schüler stehen am „BeBe“ vor dem Abitur. Für 16 Schüler geht es am Freitag mit der Physikprüfung los. An der Grenze der Lächerlichkeit: „Das ist beherrschbar.“ Die 12.-Klässler werden Meschke und sein Kollegium noch gut verteilen und beaufsichtigen können. Teilweise geht es dabei auch nur um Symbolpolitik. „Ich achte hier in der Schule auf Abstand zwischen den Schülern und dann sehe ich sie draußen irgendwo beim Zusammensitzen.“ Da wandeln die extremen Maßnahmen bei den Großen wohl am Rande der Lächerlichkeit. „Wir können damit aber zumindest zeigen, es ist ernst.“ Noch größere Sorgen macht sich Meschke bereits jetzt mit Blick auf den 4. Mai. Dann sollen weitere Schüler in die Schulen zurückkehren. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat am Wochenende nochmals bekräftigt, dass es die nächsten Schritte geben wird, wenn die Infektionszahlen mit den jetzigen Lockerungen nicht in die Höhe schnellen. Dann sollen die Schüler in die Schulen gehen, die im kommenden Jahr vor Abschlüssen oder der Bildungsempfehlung stehen. Großer Personalbedarf: Meschke fürchtet einen nicht mehr beherrschbaren Personalaufwand. Um die Abstandsregeln einzuhalten, müsse er bei der Raumgröße am „BeBe“ die Klasse wohl dritteln. Dann gerät er nicht nur bei den Raumkapazitäten an die Grenzen, sondern auch bei der Beaufsichtigung. „Woher soll ich die Lehrer nehmen?“ Die Pädagogen müssen dann im Unterricht sein und in den Pausen überall Aufsicht führen. Zum Luftholen ist dann keine Zeit mehr. Parallel müssen sie sich auch noch um das Lehren per LernSax für die Klassenstufen kümmern, die noch nicht in die Schule kommen. Die Internetplattform sollte dereinst den Unterricht ergänzen, jetzt ist sie zum Ersatz geworden. So kommt einiges zusammen. „Da fehlt mir die Phantasie, wie es gehen soll“, erklärt Meschke. Zumal Pädagogen über 60 Jahre zur Risikogruppe in der Coronapandemie gehören und ihre Anwesenheit praktisch freiwillig ist. Mit Krisenmanagement zufrieden: Dabei hat Meschke am Krisenmanagement des Kultusministeriums kaum etwas auszusetzen. „Ich bin damit zufrieden, es ist alles sehr vernünftig gelaufen.“ Die Lernpflicht während der Schulschließung, der Wille, unbedingt das Abitur zu ermöglichen – all dies findet Meschkes Zustimmung. Doch bei einer weiteren Öffnung der Schulen sei an einen „regulären Unterricht nicht mehr zu denken“, wenn die Hygienevorschriften so streng bleiben. Und davon ist auszugehen, weil es derzeit kein anderes Konzept gegen die Pandemie gibt. Erwartungen zurückschrauben: Für diesen Fall müssten ab Mai die Erwartungen „enorm zurückgeschraubt werden“. In der Öffentlichkeit müsse klargemacht werden, dass es dann nur noch um eine „Notbeschulung“ gehen kann. Meschke unterstreicht, wo am meisten um Verständnis zu werben wäre: „Das muss dann auch den Eltern klar vermittelt werden.“ Corona hat Dresden im Griff. 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