Bundespräsident Steinmeier mahnt in Gedenkrede zum 13. Februar 1945

Wann wurde die Kulturstadt Dresden zerstört? In den Bombennächten des Februar 1945? „Wir wissen, die Zerstörung der Kulturstadt Dresden geschah nicht über Nacht und nicht nur im Februar 1945. Die Zerstörung der Kulturstadt Dresden begann bereits 1933 – so wie die Zerstörung vieler Kulturstädte überall in Deutschland“, erklärte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) in seiner Gedenkrede am Nachmittag im Kulturpalast. Die Zerstörung Dresdens habe begonnen, so das Staatsoberhaupt, als hier in dieser Stadt nur wenige Wochen nach der Machtübergabe an Hitler Bücher auf offener Straße verbrannt wurden, als der Dirigent Fritz Busch aus der Semperoper gebrüllt wurde, weil er mit jüdischen und ausländischen Musikern zusammenarbeitete. Zerstörung der Bürgergesellschaft habe auch in Dresden begonnen: „Die Zerstörung der Kulturstadt Dresden begann, als Regisseure, Schriftsteller, Journalisten, Verleger und viele andere mehr wegen ihrer jüdischen Herkunft oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt und verjagt wurden“, so Steinmeier. Viele von ihnen seien später deportiert und ermordet worden. „Auch hier in dieser Stadt war es ein Fanal, als in der Nacht des 9. November 1938 – viele Jahre vor der Semperoper – die Semper-Synagoge in Flammen aufging.“ Die Zerstörung der Vernunft, die Zerstörung der Kultur, die Zerstörung der Bürgergesellschaft habe auch in Dresden begonnen, als ganz normale Bürgerinnen und Bürger jüdische Geschäfte boykottierten, als sie ihre Nachbarn aus dem öffentlichen Leben ausgrenzten, als sich viele dem Nazi-Regime anbiederten oder einfach nur schwiegen, erklärte Steinmeier. Gedenken müsse immer die Frage stellen: „Wie konnten in einer scheinbar zivilisierten Gesellschaft alle Dämme brechen, alle Regeln von Mitmenschlichkeit und Humanität über Bord geworfen und barbarische Gewalt entfesselt werden?“ Die Bombardierung Dresdens erinnere auch an die Zerstörung des Rechtsstaates und der Demokratie in der Weimarer Republik, an nationalistische Selbstüberhebung und Menschenverachtung, an Antisemitismus und Rassenwahn. „Ich befürchte, diese Gefahren sind bis heute nicht gebannt.“ Es reiche nicht, wenn Demokratinnen und Demokraten erschauern und sich angewidert abwenden, wenn Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit das öffentliche Leben wieder zu vergiften beginnen würden, mahnte der Bundespräsident. „Nichts davon darf in unserem Land unwidersprochen bleiben. Wir alle müssen Hass und Hetze zurückweisen, Beleidigungen widersprechen, Vorurteilen entgegentreten.“ Übernahme gemeinsamer Verantwortung auch in Dresden geboten: Demokraten müssten auch denen die Stirn bieten, die versuchen würden, deutsches Unrecht kleinzureden oder wider besseres Wissen Fakten zu verfälschen. „Aber ich sage auch: Wer das Leiden der Menschen, der Bombenopfer in dieser Stadt ignoriert oder bagatellisiert; wer die Bombardierung als ’gerechte Strafe’ hinstellt oder Gesten der Trauer ins Lächerliche zieht, auch der wird der Geschichte nicht gerecht, und auch er verhöhnt die Opfer“, erklärte Steinmeier. Der Weg der Versöhnung, die Übernahme gemeinsamer Verantwortung für den Frieden und der Schutz der Würde eines jeden Menschen – das sei auch und gerade hier in Dresden geboten, so Steinmeier zum Schluss seiner Rede. „Wir sind die Mehrheit“: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, die Dresdner würden sich wünschen, den 13. Februar wieder für sich zu haben. „Aber das geht noch nicht. Wir, die demokratische Mitte, müssen verhindern, dass es Umdeutungen und Verfälschungen der Geschichte gibt.“ Nach jahrelangem Suchen habe die Stadt mit der Arbeitsgruppe 13. Februar den richtigen Weg beschritten. Die Botschaft aus Dresden müsse lauten, so Kretschmer: „Wir sind die Mehrheit und nicht die, die am Sonnabend oder Montag hierher kommen.“ Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hatte zum Beginn der Gedenkveranstaltung erklärt: „Die Zerstörung unserer Stadt beginnt dort, wo Menschen wegen ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder ihrer Lebensweise ausgegrenzt werden.“ Ehrliches Gedenken lasse sich nicht mit Imperativen erzwingen, so der Oberbürgermeister einer Kulturstadt, die lange vor dem 13. Februar 1945 in Trümmern lag. So wird der 75. Jahrestag der Bombenangriffe in Dresden begangen Trommeln statt stilles Gedenken auf dem Altmarkt – Protest am AfD-Stand Gedenken auf dem Dresdner Heidefriedhof: Eklat mit Ansage Satireaktion: Polizeiklasse erklärt Dresden zum „Weltmeister des Gedenkens“ Erinnern und Dagegenhalten – Dresden gedenkt des 13. Februar 1945 Bundespräsident Steinmeier zu Gast in Dresden Freundlicher Empfang für Bundespräsident Steinmeier auf dem Dresdner Neumarkt Steinmeier verurteilt in Dresden Missbrauch des Gedenkens Bundespräsident Steinmeiers Gedenkrede in Dresden im Wortlaut Historischer Rückblick: Die Bombenangriffe auf Dresden am 13. Februar 1945 Dresden 1945 – Die Luftangriffe der Allierten und ihre Geschichte Zeitzeugin erinnert sich an Bombardierung Dresdens: Sirenengeheul ließ Zirkusmusik verstummen Von Thomas Baumann-Hartwig

Bundespräsident mahnt in Gedenkrede - „Die Zerstörung der Kulturstadt Dresden hat 1933 begonnen“