Lebensversicherungen gelten schon lange als schwieriges Geschäft. Jetzt verabschiedet sich einer der größten Anbieter hierzulande: Die Generali Leben mit rund vier Millionen Verträgen wird an Viridium verkauft, eine Abwicklungsgesellschaft. Sie soll die Verträge bis zur Fälligkeit verwalten.
Die italienische Generali ist durch viele Zukäufe der zweitgrößte Versicherer in Deutschland mit 13 Millionen Kunden geworden. Die deutsche Lebensversicherung hat das Neugeschäft allerdings schon vor einiger Zeit aufgegeben.
Bafin hat Geschäft abgesegnet
Viridium ist kein Versicherer, sondern eine Art technischer Dienstleister. Gegründet wurde das Unternehmen vom Finanzinvestor Cinven und der zum Versicherungskonzern Talanx gehörenden Hannover Rück. Viridium wird 89,9 Prozent der deutschen Generali-Tochtergesellschaft für Lebensversicherungen kaufen.
Die Finanzaufsicht Bafin hat das Geschäft bereits genehmigt. Sie muss bei der Prüfung sicherstellen, dass den Kunden keine Nachteile entstehen. „Die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kunden bleiben unverändert“, betont Generali. „Privatkunden erhalten auch dank der besonderen Expertise und Ressourcen von Viridium weiterhin die besten Servicestandards.“
Hohe Beschwerdequoten
Daran hat der Bund der Versicherten (BdV) massive Zweifel. „Wir befürchten, dass die Versicherten zukünftig deutlich schlechter gestellt sind“, sagt BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Er behauptet, dass Viridium „auffällig hohe Beschwerdequoten hat sowie mit IT-Problemen kämpft“. Mit Vertragsbeständen dieser Größenordnung habe das Unternehmen keine Erfahrung.
Kleinlein glaubt zudem, dass die Kunden finanziell schlechter abschneiden werden. „Alle Generali-Kunden müssen damit rechnen, zukünftig noch spärlicher mit Überschüssen bedient zu werden.“ Zwar sind die beim Vertragsabschluss jeweils gültigen Garantiezinsen auch nach einem Verkauf weiter festgeschrieben. Ob und wie viel der Versicherte darüber hinaus ausgezahlt bekommt, wenn die Laufzeit endet, hängt aber vom Anlageerfolg der Versicherungsgesellschaft ab. Die Geldanlagen werden noch für fünf Jahre von Generali gemanagt, Viridium zahlt dafür eine Gebühr. Der BdV fürchtet hier Verschlechterungen für die Kunden. Kleinlein deutete bereits an, möglicherweise die neue Musterfeststellungsklage zu nutzen, um vor Gericht zu ziehen.
Garantiezins kaum zu erzielen
Viele Lebensversicherer prüfen derzeit den Verkauf ihrer Vertragsbestände. Sie wollen die alten Policen loswerden, bei denen sie den Kunden vergleichsweise hohe Zinsen zahlen müssen. Wer zum Beispiel in den Neunzigerjahren eine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen hat, bekommt bis zu 4 Prozent Garantiezins. Das ist mit sicherheitsorientierter Geldanlage, wie sie für Lebensversicherungen vorgeschrieben ist, seit Jahren kaum noch zu erzielen.
Der Verkauf ändert zwar nichts am Garantiezins, aber er entlastet die Bilanz des Versicherers, und die reine Verwaltung bestehender Verträge ist bei spezialisierten Plattformen billiger. Unternehmen wie Viridium sind Computerspezialisten, die hoch automatisiert Verträge verwalten und Ein- und Auszahlungen abwickeln. Kosten für Werbung und Vertrieb haben sie nicht.
Im vergangenen Jahr wollte bereits Ergo seine Lebensversicherungen verkaufen. Der Plan wurde verworfen, weil man keinen vernünftigen Preis erzielt habe. Allerdings dürfte auch heftige öffentliche Kritik eine Rolle gespielt haben. Ergo will sich jetzt selbst zusammen mit dem IT-Konzern IBM auf die Vertragsabwicklung spezialisieren und neben den eigenen Verträgen auch die anderer Versicherer betreuen.
Von Stefan Winter/RND