Dennoch weisen die Zenker-Kians einen kleinen, aber feinen Unterschied zum traditionellen Familien-Rezept auf: Denn hier leben nicht Mutter-Vater-Kind zusammen, sondern Vater-Vater-Kind. Claudia teilt mit ihrem leiblichen Vater Ronald Zenker und seinem Freund Thomas Kian Tisch und Stuhl. "Ich find's super", sagt die Zwölfjährige. "Die zwei sind total locker."
So wie Claudia leben inzwischen mindestens 6600 Kinder in Deutschland in sogenannten Regenbogen-Familien. Das heißt, sie werden von zwei lesbischen Müttern oder zwei schwulen Vätern aufgezogen. Laut einer repräsentativen Studie der Uni Bamberg geht es ihnen dabei genauso gut wie bei Hetero-Eltern. Entgegen vieler Vorurteile bestätigen die Forschungen: Kinder die bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, neigen nicht zu Depressionen, können ihre Persönlichkeit ungestört entwickeln und unterscheiden sich auch in schulischen Leistungen nicht von ihren Mitschülern.
"Natürlich schauen die meisten erst einmal ein bisschen komisch, wenn man davon erzählt, dass man schwul ist und gleichzeitig ein Kind aufzieht", bestätigt Ronald Zenker. Noch immer seien nicht alle Vorurteile gegenüber homosexuellen Partnerschaften abgebaut. Vor allem die Generation über 60 begegne vielen Homosexuellen mit Skepsis. "Viele sind richtig verwundert, dass man uns unser Schwulsein gar nicht ansieht", lacht Zenker. "Claudia hatte damit aber nie Probleme. Lehrer und Mitschüler haben das eigentlich immer ziemlich locker gesehen", erklärt der 41-Jährige. Ihre Schulfreundinnen seien oft zu Besuch, deren Eltern hätten nie Bedenken geäußert.
Leider ist der entspannte Umgang mit Homosexualität nicht die gesellschaftliche Regel, wie die Studie der Uni Bamberg beweist. Fast die Hälfte der Regenbogen-Kinder erlebt Diskriminierungen wegen ihrer homosexuellen Eltern. Meist handelt es sich dabei um Hänseleien durch Gleichaltrige. Doch gleichzeitig besagt die Studie auch: Nachteilig auf die Kindes-Entwicklung wirkt sich das nachweisbar nicht aus. Das Forscherteam stellte sogar fest, dass "Kinder und Jugendliche aus solchen Lebenspartnerschaften über ein höheres Selbstwertgefühl und mehr Autonomie in der Beziehung zu beiden Elternteilen berichteten."
Dass ihr Vater schwul ist, hat Claudia Zenker im Alter von fünf Jahren erfahren. Lange Zeit wusste der selbst nichts von seiner Homosexualität. Erst 2007 trennte sich Ronald Zenker von Claudias leiblicher Mutter. Auf einer Geschäftsreise hatte er sich Hals über Kopf in einen Mann verliebt. "Anfangs war es schon ein bisschen komisch, dass da plötzlich ein anderer Mann war", gibt die zwölfjährige Claudia unumwunden zu. "Aber inzwischen ist das so gar kein Thema mehr", sagt sie. Vor einem Jahr zog ihr Vater dann mit Freund Thomas zusammen. "Dass Claudia bei uns einzieht, war dann gar keine Frage", erzählt der Vater.
Die Zenker-Kians sind unter den gleichgeschlechtlichen Partnerschaften noch immer Exoten. Die meisten Regenbogenfamilien bestehen aus zwei Frauen mit Kind. Nur in 5,5 Prozent der Fälle teilen sich zwei Männer die Erziehung. Die meisten der älteren Kinder stammen dabei aus früheren heterosexuellen Beziehungen eines Partners. Vorwiegend lesbische Paare entscheiden sich auch oft gemeinsam für ein Baby. Mit Hilfe einer Samenspende können sie ihren Kinderwunsch relativ einfach verwirklichen. Das Sorgerecht hat dabei allerdings nur die leibliche Mutter. Der Partnerin bleibt nur eine Adoption, auch wenn das Kind in die Partnerschaft hineingeboren wird.
Noch ein Kind zu adoptieren, steht bei den Zenker-Kians momentan aber nicht zur Debatte. Beide Männer sind beruflich sehr eingespannt. "Außerdem sind wir froh, dass Claudia aus dem Gröbsten raus ist", witzelt Ronald Zenker.
Susann Schädlich