„Die Bremer Straße ist ein Industriegebiet, und unser Friedhof ist die einzige Möglichkeit, wo es mal etwas Grün und Schatten gibt“, sagt Marek Liebscher, Geschäftsführer des Umweltzentrums. In Absprache mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) sollen am Mittwoch erstmals etwa 20 bis 40 Kinder und Frauen die Chance bekommen, das heiße, staubige Lager für ein paar Stunden zu verlassen und sich im Grünen zu erholen. „Das ist ein Test. Wir tasten uns ran, gucken, was angenommen wird und was nicht“, sagt UZ-Vereinsvorstand Stefan Mertenskötter, der sich um den Friedhof kümmert. Dabei betrachtet er sich keineswegs als „großen Problemlöser“: „Wir versuchen einfach, das Potential zu nutzen, das vorhanden ist, und wir haben eben dieses schöne Grundstück mit Schattenplätzen. Ich bin zuversichtlich, dass wir da eine schöne Kleinigkeit schaffen.“
Auf der großen, von alten Bäumen umstandenen Rasenfläche im Eingangsbereich des Friedhofs haben am Montag fleißige Helfer Sand aufgeschüttet und kleine Schwimmbassins aufgestellt. Dort können die Kinder planschen und buddeln, während die Mütter die Auszeit genießen. „Wir wünschen uns natürlich, dass die Frauen mitkommen, aber wir haben auch eine Grundbetreuung für die Kinder da“, so Mertenskötter. Wenn die ersten Versuche gut verlaufen, könne er sich gut vorstellen, das Angebot auszuweiten. „Aber das müssen wir sachte machen. Zug und Zug, so schnell wie möglich, aber mit der nötigen Sorgfalt.“ Schließlich gelte es, die kulturellen und religiösen Unterschiede zu bedenken.
Klappt alles gut, haben Umweltzentrum und DRK noch weitere Einfälle, wie sie den Zeltstadt-Bewohnern ihr Camp-Dasein etwas erträglicher gestalten könnten: „Das DRK hat vorgeschlagen, eine Art Männercafé auf dem Friedhof einzurichten – natürlich in einer anderen Ecke“, erzählt Mertenskötter. „Die Idee hat mir eingeleuchtet. Wir überdenken das.“ Außerdem hat das Umweltzentrum gemeinsam mit der Dresdner Tafel bereits zwei Mal Obst und Gemüse an Asylsuchende verteilt.
Stillgelegter Matthäusfriedhof als Ort für Frieden, Ökologie und kulturelles Erbe
Sorgen, dass die vielen Besucher auf dem Friedhof die Totenruhe stören könnten, sind vollkommen unbegründet: Der Äußere Matthäusfriedhof ist entwidmet, seit rund 30 Jahren finden keine Beisetzungen mehr statt. Die stillgelegte Begräbnisstätte gleicht heute eher einem verwunschenen Park, in dem nur noch einige Kreuze und Gedenksteine – beispielsweise für den ungarisch-deutschen Antifaschisten Emerich Ambros sowie Tote aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg – an seine ursprüngliche Nutzung erinnern. Von 1993 bis 2012 nutzte der Verein Arbeit und Lernen Dresden e.V. das Gelände als Trainingsstätte, seit 2013 verwaltet das Umweltzentrum als Pächter die Anlage. Der frühere Umweltzentrums-Chef Stefan Mertenskötter will den einstigen Gottesacker zu einem Ort entwickeln, an dem kulturelles Erbe erhalten wird sowie Friedensarbeit und Naturschutzprojekte stattfinden. „Da passt die Öffnung des Friedhofs für Flüchtlinge ganz wunderbar ins Konzept“, sagt Mertenskötter über den neuen „Baustein“.
ttr